Text und Fotos: Dr. Christof Graf

QUEEN - Rock De Luxe oder

von der Saga der Unsterblichkeit

von Dr. Christoph Graf
Von Anbeginn kennzeichnete die Musik der britischen Pomp-Rock-Band ,,Queen" drei Dinge: Zum einen, eine ständige Gratwanderung zwischen den musikalischen Stilen, zum zweiten, Brian Mays unverkennbare Gitarrenarbeit und zum dritten natürlich Freddie Mercurys atemberaubende Bühnen- und Gesangspräsenz. All das machte die jahrzehntelange Karriere der Musiker um Brian May (Gitarre), Freddie Mercury (Gesang), Roger Taylor () und John Deacon (Baß) aus. All das machte Queens musikalisches Spektrum von ,,Bohemian Rhapsody" bis hin zu ,, We Will Rock You" aus. All das machte die erfolgreiche Melange zwischen dem Hardrock der späten 60er, dem Glam-Rock der 70er Jahre und dem Pop-Rock der 80er Jahre aus. Doch die unaufhaltsame Karriere dieser Superlative-Band nahm ihr jähes Ende durch den traurigen AIDS-Tod von Frontmann Freddie Mercury, der am 22. November 1991 verkündete, wie es um ihn steht. Einen Tag später verstarb er.
Bis dahin war Queen zur Legende geworden. Seit Veröffentlichung ihres Debutwerkes ,,Queen" im Jahre 1973 verkaufte die Band weltweit über 150 Millionen Schallplatten. Die 21 Alben, die in nahezu jedem Land ,,Goldstatus" erreichten, offerierten stets neue Hits. Dennoch, angefangen hatte alles im kleinen. Brian May (geboren am 19. Juli 1947), ehemaliger Student der Physik und Astronomie, verdingte sich als Hobbygitarrist in London. Was kaum jemand weiß, die Band, die sich damals noch nach George Orwells Klassiker ,,1984" nannte, spielte sogar im Vorprogramm von Pink Floyd und Jimi Hendrix. ,,Ein absoluter Ausnahmegitarrist übrigens", wie Brian May im Interview zu schwärmen weiß. ,,Manche Leute sehen einfach nur, was sie sehen wollen. Sie sehen einen Gitarristen, der sich ziemlich viel bewegt und denken, daß der richtig gut ist, obwohl das überhaupt nicht so sein muß. Ich dagegen schaue mir an, wie die Kommunikation zwischen dem Kopf und den Fingern funktioniert - spielt er das, was er auch denkt, oder spielt er einfach nur so. Als ich zum ersten Mal Hendrix hörte, war meine spontane Reaktion: he's done it all."
Nach diesen ersten Bühnenerfahrungen agierte May weiter, suchte nach weiteren, nach anderen Musikern und fand sie schließlich in dem Studenten der Zahnmedizin, Roger Meddows-Taylor (geboren am 26. Juli 1949), der seit seiner Kindheit Hobbyschlagzeuger war. Zusammen mit einem Freund namens Tim Staffel firmierte man als Trio unter dem Namen ,,Smile". Was fehlte, war ein Sänger und diesen fand man in dem bereits damals charismatisch wirkenden Farroukh Bulsara, geboren am 5. September 1946 in Sansibar, aufgewachsen in Bombay als Kind eines persischen Vaters und einer ostafrikanischen Mutter. Sein späterer Künstlername: Freddie Mercury.
Was fehlte, war noch ein Bassist, nachdem Tim Staffel die Band verlassen hatte. Diesen fand man schließlich in John Deacon, geboren am 19. August 1951. Zusammen mit dem gefundenen Bassisten und dem ungeheuren Esprit eines Freddie Mercury waren Queen geboren. Wie ein ,,Phönix aus der Asche und majestätisch wie ein Löwe", so entwarf Mercury auch das Logo der Band. ,,Die Grundidee von Queen ist, vornehm und majestätisch zu sein. Glamour ist ein Teil von uns, und wir wollen Dandys sein", sagte damals Mercury über das gestartete Vorhaben", erinnert sich Brian May heute.
Das Jahr 1972 verbrachte die Band im Studio, um schließlich1973 das schlichtweg ,,Queen" betitelte Album und die Single ,,Keep Yourself Alive" zu veröffentlichen. Von einem Anfangserfolg konnte man noch nicht sprechen. Das Album war eher ein Flop. Doch die Band wußte sich mit teils tuntigen Bühnenoutfits, lackierten Fingernägeln und androgyn geschminkten Make Ups in die Glam-Rock-Szenerie der David Bowies, Alice Coopers und T-Rexe einzuschleusen. Nach ,,Queen II" (1974) und dem Single-Hit ,,Killer Queen" folgte noch im selben Jahr das Album ,,Sheer Heart Attack". Zu Kult wurde die Band schließlich mit den Alben ,,A Night At The Opera" (1975) und ,,A Day At The Races" (1976). Die ,,Mini-Oper" ,,Bohemian Rhapsody" paßte zur Anmutung von Band, Musikern aber vor allem zum pompös und stets wie eine Diva agierenden Freddie Mercury. Queen bedankte sich für den Erfolg mit einem Free-Concert im Londoner Hyde-Park vor über 150.000 Zuschauern im Sommer 1976.
Was danach geschah, ist wirklich Geschichte. Queen veröffentlichen 1977 das Album ,,News Of The World", welches mit ,,We Are The Champions" wohl den gewichtigsten aller Queen-Tracks beinhaltet. Seitdem kommt keine Siegesfeier der Welt mehr ohne das Abspielen dieses Songs aus. Aber auch ,,We Will Rock You" sollte von da an nicht nur Opener einer jeden Queen-Show sein, sondern auch zum das Leben der Band überdauernden Motto werden. Queen begannen die größten Hallen, die größten Stadien der Welt mit der immer größer werdenden Fan-Schar zu füllen. Mit dem Album ,,Jazz" (1978), das gar nicht danach klang, manifestierten Queen auch den wachsenden Eindruck einer ,,Macho-Band" zu sein. ,,Fat Bottomed Girls" und ,,Bicycle Race" waren darauf die erfolgreichen Hitsingles. Resultat der weltumspannenden Tourneen war schließlich das legendäre ,,Live Killers"-Album (1979), das die Höhepunkte der damaligen Queen-Shows dokumentierte. Danach folgte die unter Queen-Fans sogenannte ,,Münchener Zeit", in der die Band in den dortigen Musicland-Studios das achte Album ,,The Game" (1980) einspielte und Freddie Mercury seine bizarre Liebe zur Schauspielerin Barbara Valentin auslebte. Einer der vier auf dem Album zu hörenden Hitsingles, ,,Crazy Little Thing Called love", soll Gerüchten zufolge von Freddie in einer Münchener Badewanne geschrieben worden sein. Dem Schnellzugtempo unterwarf man immer wieder neue musikalische Kuren. Das Soundtrack-Album zum Dino De Laurentis Film ,,Flash Gordon" war nur ein Beispiel hierfür. ,,Hot Space" (1981) und ,,The Works" (1984) zwei weitere. Mega-Hits wie ,,Another One Bites The Dust", ,,Radio GaGa" oder auch die Kooperation mit David Bowie in Form von ,,Under Pressure" bestätigten das Vorhaben, ,,Queen" stets einem Zeitgeist-Update zu unterziehen, ohne das Bandprofil zu verlieren. Zudem waren die einzelnen Musiker mittlerweile derart gereift, daß erste Solo-Alben wie z.B. Roger Taylors ,,Fun In Space" oder Freddie Mercurys ,,Mr. Bad Guy" zum Ausdruck gebracht werden wollten.
1986, das Jahr, in dem Freddie Mercury von seiner HIV-Infektion erfuhr, war die Band enorm produktiv. Das pop-orientierte ,,A Kind Of Magic", von dem einige Songs als Soundtrack zum Film-Klassiker ,,Highlander" verwendet wurden, offerierte unter anderen das verheißungsvolle ,,Who Wants To Live Forever". Die Band ging erneut auf Tournee und absolvierte so grandiose Gigs, die schließlich Jahre später zu den Musts einer guten Plattensammlung gehören, wie z.B. ,,Live At Wembley", aufgenommen im ausverkauften Londoner Wembley-Stadion 1986. Titel wie ,,I Want It All" aus dem 1989 erschienen Album ,,The Miracle" verkörperten einmal mehr das Lebensgefühl von ,,Queen" (und) Freddie Mercury. ,,Innuendo", veröffentlicht im Januar 1991, sollte das letzte Queen-Album, das zu deren Frontmanns Lebzeiten erschien, sein. Fast wie ein Tagebuch des Abschieds, wirken die Titel und letzten Hits eines Ausnahmekünstlers wie Freddie Mercury, als er sich mit ,,The Show Must Go On" seherisch verabschiedete.
,,Queen war eine hervorragende Band und unser - Rogers, Johns und Freddies - aller Zuhause. Es ist schwierig mit dem Verlust eines Bestandteiles dieses Zuhauses zurecht zu kommen" meint Brian May über den tragischen Tod von Freddie Mercury. ,,Aber das Leben geht weiter und ich bin froh auch solo Anerkennung zu finden", freute sich der Gitarrist über Roger Taylors und sein eigenes Soloalbum, womit die beiden den Tod von Freddie zu verarbeiten versuchten.
Erst danach folgte schließlich posthum das wirklich letzte Queen-Album, an dem die Band noch an den letzten Lebenstagen Mercurys arbeitete: ,,Made in Heaven"
,,So angenehm es mit Queen war, es war schwierig du selbst zu bleiben", resümiert Brian May, heute. ,,Ich bereue und vermisse zwar nichts, doch als ein ,,Star" dieser Größenordnung kannst du schnell die Bodenhaftung verlieren. Ich bin froh, daß ich mich auch damals nie zu sehr vom Business einnehmen ließ." Richtig weg kam Brian May jedoch nie von seinem Lebenswerk, das er zusammen mit Taylor, Deacon und Mercury schuf.
Bevor die ,,Resteverwertung", die im Gegensatz zu anderen Bands dennoch Grandioses hervorbrachte, vor allem mit ,,Greatest Hits II und III", ,,Queen Rocks" oder mit dem im Oktober 2004 erschienen Live-Dokument der ,,Hot Space Tour `82" ,,Queen On Fire" ihren Lauf nahm, organisierte der Rest der Band 1992, nach ,,Woodstock" 1969 und dem ,,Live-Aid-Konzert" 1985, die wohl fulminanteste Ansammlung von Musikgrößen in Form des ,,Tribute To Freddie Mercury"-Events. Künstler jeglicher Couleur, die entweder Freddies Freunde und Wegbegleiter (Elton John, David Bowie), oder schlichtweg von seinen Songs geprägt waren (Guns `n `Roses, Black Sabbath, Def Leppard, u.a.) offerierten jeweils ihre eigene Interpretation von Queen-Songs. Das knapp sechsstündige Event wurde zur akustischen Vernissage von musikalischen Meisterwerken.
Und auch 13 Jahre danach stellt man fest: ,,Queen sind und waren nie weg", wie es Brian May im Oktober 2004 im Kölner Hyatt-Hotel selbstbewußt sagt. Egal, ob da ein Brian May zum 50jährigen Thronjubiläum ,,God Save The Queen" 2002 vom Dach des Buckingham-Palastes herunterschmetterte, oder mit Bandkollege Roger Taylor 2003 das ,,Nelson Mandela 46664-Konzert" organisierten, Queen lebt. Und Queen rockt. Und so war es auch die logische Folge, Queens Musik irgendwann auch Teil eines Musicals werden zu lassen. ,,We Will Rock You" so der Titel, feiert seit Mai 2002 im Londoner Dominion Theatre derartige Erfolge, daß das Musical, das in Zusammenarbeit mit Regisseur Ben Elton entstand auch in Barcelona, Sidney, Moskau und Las Vegas zum festen Bestandteil der Musical-Szene wurde. Seit Dezember 2004 wird ,,We Will Rock You" auch im Musical-Dome in Köln aufgeführt.
,,We Will Rock You" entstand unter großem Schmerz, unter großem seelischen Leid, weil wir stets an etwas erinnert wurden, was von uns gegangen ist", resümiert Brian May. ,,We Will Rock You" führte uns immer wieder vor Augen, daß wir uns zwar noch immer wie eine Band fühlen, aber seit vierzehn Jahren eben eine Band ohne Sänger sind. Aber mit ,,We Will Rock You" bekam unsere Band wieder eine Stimme. Auch wenn die Stimme von Queen einzigartig und unersetzbar ist, haben wir mit dem Musical die Chance, die Band ,,Queen" zu einem weiteren Ort in ihrer Unsterblichkeit zu führen, und das war uns der Schmerz wert."
Auch wenn das Musical nicht die Geschichte der Band widerspiegelt, ,,und genau das ist der Reiz der Sache", so May weiter, ,,schließlich ist der Rest der Band noch am Leben und wir würden uns ziemlich tot vorkommen, wenn wir unsere eigene Lebensgeschichte auf der Bühne inszeniert sehen würden", wird das Erfolgs-Musical mit der Queen-Musik ebenso in die Rockgeschichte eingehen, wie es berühmte Vorgänger wie z.B. The Who`s ,,Tommy" taten.
Dies und so manches mehr erfuhr man während der umfangreichen Promo-Tour von Brian May und Roger Taylor für die Premiere von ,,We Will Rock You". Sowohl in Form einer medienträchtigen Pressekonferenz im Kölner Musical-Dome, eines vorangegangenem Foto-Shootings und Gold-Verleihung der CD/ DVD ,,Queen On Fire - Live At The Bowl" sowie Pressefragen gaben die Queen-Musiker bereitwillig Antwort zur Zukunft der geschichtsreichen Band. Am Nachmittag des Presseevents wechselte man dann das Rheinufer für Interviews im Hyatt-Hotel. Alles in allem ein beobachtenswertes Ereignis.
Fernsehteams justieren die Einstellungen ihrer Kameras, Radioleute stöpseln sich für qualitative O-Töne am Mischpult ein, Fotografen eilen zum Checkpoint für das Foto-Shooting und Vertreter der Printmedien nehmen in den Ledersesseln der Longe Platz, um gespannt den Ausführungen der Künstler und Produzenten folgen zu können. Im Hintergrund laufen Songs wie ,,I Want It All" oder ,,It`s A Kind Of Magic". Fast wirkt es, als würde man den triumphalen Einmarsch von Freddie Mercury mit Krone und Zepter und weißem Hermelin-Pelz erwarten. Die Premiere des in England, Australien, Spanien, Rußland und in den USA bereits mit großem Erfolg laufenden ,,We Will Rock You"-Musicals hätte eine solche Überraschung verdient. Doch Freddie ist tot. Aber Queen lebt. Und genau das personifizieren die entspannt und freundlich einige Autogramme gebenden Brian May und Roger Taylor auf dem Weg zur kleinen mit weißen Couchsofas bestückten Talk-Bühne. Das Fotoverbot wird schnell ignoriert. Die Musiker nehmens wiederum freundlich lächelnd gelassen. Schließlich ist man hier, um Promotion zu machen. ,,Es ist traurig, daß Freddie heute nicht dabei ist", beginnt Brian May seine Freude über die 120 Medienvertreter aus Deutschland und Nachbarländern, zum Ausdruck zu bringen. Doch Freddie ist dabei. Wenn auch nur in Form einer überlebensgroßen Bronze-Statue am rechten Bühnenrand, angelehnt an das Original, welches am Genfer See zu sehen ist. Freddie ist dabei. Wenn auch nur in Form eines Live-Auftritts, auf einer Video-Leinwand am linken Bühnenrand. ,,Und Freddie hätte dieses Musical gefallen", beschwichtigt Brian May immer wieder, wenn er auf die Vergangenheit von Queen, auf den noch immer existierenden Mythos, auch 14 Jahre nach dem Tod von Freddie Mercury angesprochen wird. Um nicht gleich nur über Freddie zu sinnieren, berichten die Produzenten Dagmar Windisch und Michael Brenner sowie Regisseur Ben Elton über technische und organisatorische Details und die Entstehungsgeschichte von ,,We Will Rock You".
Man erfährt, für all jene, die es bis dato noch nicht wußten, daß ,,We Will Rock You" übrigens nicht die Geschichte von Queen zum Inhalt hat. ,,Schließlich sind wir noch am Leben, und wir kämen uns ziemlich tot vor, würden wir unsere eigene Geschichte als Musical inszenieren", so Brian May. ,,Wir wollten etwas eigenes machen, etwas Neues schaffen, das zwar mit der Musik von Queen zu tun hat, nicht aber mit deren Musiker. Ein Musical über die Geschichte von Queen sollen einmal andere inszenieren." Und von Roger Taylor erfährt man grinsend: ,,Eigentlich mag ich gar keine Musicals, ich bin Rockmusiker. Dennoch bin ich von ,,We Will Rock You" überzeugt, weil es die bisherigen Musical-Regeln aus den Angeln hebt". -,,Außerdem wollte unser Manager, daß wir ,,We Will Rock You" realisieren". Die Pressemeute grinst ebenso. Brian May meint erneut, daß Freddie sich über ,,We Will Rock You" gefreut hätte und verspricht, ,,jeder, der aus dem Musical kommt, kommt mit dem Gefühl heraus, er habe Queen erlebt." Danach übernimmt Ben Elton den Hauptteil des Pressetalks und erklärt zunächst einmal die Geschichte des Musicals: ,,Wir befinden uns in der Zukunft, an einem Ort, der einstmals die Erde genannt wurde. Alles ist globalisiert, alles ist konform, die Kids leben in einer pseudo-glücklichen ,,Gaga-Welt". Es sei denn, du bist ein Rebell und verlangst nach Rock. Doch ,,alte Rockmusik" und deren Instrumente sind längst verbannt. Aber, einer Legende nach, sollen noch irgendwo Instrumente, mit denen man Rock`n` Roll spielen kann, existieren. Doch es ist nur eine Minderheit, die unter der Masse der Konformisten an die Wiedergeburt des Rock`n`Roll glaubt und "künstliche Plastikmusik" ablehnt. Diese Minderheit glaubt an die verlorengegangene Ära, wo einst langhaarige Gitarrengötter ihre eigenen Bands gründeten, ihre eigenen Songs schrieben, anstatt sie sich von der Industrie designen zu lassen. Diese Ära nennt diese Minderheit ,,Rhapsody". ,,Galileo", ein junger Rebell in der Minderheit macht sich also auf, um die verlorene Rockgitarre wiederzufinden und um der ,,Rhapsody" wieder neues Leben einzuhauchen." "Und das ganze wird untermalt von 25 Queensongs, viel Pomp und Glamour im Rahmen dieser binnen 2 ½ Stunden erzählten Geschichte", ergänzt Brian May.
Die eher essentiellen Dinge aus dem Queen-Leben erfuhr man dagegen eher im Einzelgespräch mit Brian May und Roger Taylor.
Hörerlebnis: Wie oft habt Ihr euch das Musical mittlerweile angeschaut?
Brian May: Mehr als 100 Mal.
Hörerlebnis: Hattet Ihr nach dem Tod von Freddie gedacht, daß ihr 14 Jahre später noch immer so präsent seid?
Brian May: Nach Freddies Tod wollten wir eins nicht: Freddie jemals ersetzen.
Roger Taylor: Freddie ist nicht zu ersetzen. Ich konnte mir lange Zeit kein altes Queen-Material anschauen, weil mich das traurig machte, Freddie nicht mehr unter uns zu wissen.
Hörerlebnis: D.h., das Material für die Live-DVD ,,Queen On Fire" habt ihr gar nicht gesichtet?
Roger Taylor: Doch, doch. Gerade der Auftritt beim Konzert in der Milton Keynes Bowl von 1982 führte uns noch mal vor Augen, welche Power Freddie hatte. Ich sah ja Freddie meist nur von hinten und schüttelte nur den Kopf, wie er es vermochte, Band und Fans zu einer Einheit verschmelzen zu lassen. Es war genauso faszinierend, das Material anzuschauen, wie damals live dabei gewesen zu sein. Irgendwann vergeht der Schmerz.
Brian May: Die Erwartungshaltung der Fans nach Freddies Tod war immens groß. Eine Erwartungshaltung, der man sich fast kaum entziehen konnte. Und irgendwann, nach und zwischen unseren Solo-Projekten stellten wir einfach fest, Queen ist unser Lebenswerk. Aber wir waren eben nicht mehr die Band, die wir einmal waren. Wir steckten in einem Dilemma, wie wir weitermachen sollen, ohne uns zu verleugnen. Also suchten wir nach Entfaltungsmöglichkeiten, unser Lebenswerk zu ergänzen.
Hörerlebnis: Und ein Musical war hierbei die einzige Alternative?
Brian May: Nein, nicht nur, ich weiß, du spielst auch noch auf andere Dinge an, wie z.B. den Film. Es existiert auch die Idee, die insbesondere Robert de Niro als Produzent gut findet, die Geschichte von Queen als Film zu inszenieren. Das wird eines unserer nächsten Projekte.
Hörerlebnis: Wie geht ihr mit den Mutmaßungen, Rockmusik und Musicals passen nicht zusammen, um?
Roger Taylor: Ich z.B. hasse Musicals. Das habe ich immer gesagt. Ich habe Musicals noch nie gemocht. Für mich war das früher alles ,,Chitti Chitti Bäng". Aber, wenn ich mir ,,We Will Rock You" oder auch ,,Abbamania" anschaue, bin ich etwas geläutert. Diese Art von Musicals haben es geschafft, zwei von Natur aus unterschiedliche Genres zu verschmelzen. Früher war die Zeit nicht reif genug. Und auch wenn die Bühne kleiner ist, als so manche, auf der Queen auftraten, sind immerhin 24 Sänger zu hören. Queen besaß nur vier Stimmen.
Brian May: Auch wenn Du mich vor 15 Jahren gefragt hättest, ob sich die Queen-Musik für ein Musical eignet, hätte ich den Kopf geschüttelt. Aber es ist etwas anderes, wenn ein Fremder deine Musik für ein Musical verwendet, als wenn du das selbst tust. Bei ,,We Will Rock You" sind wir die Produzenten. Und wenn ich in London bin, vergeht kaum eine Woche, in der ich mir ,,We Will Rock You" nicht mindestens einmal ansehe. Zusammen mit dem Produzententeam und den Darstellern feilen wir immer wieder an dem Werk. Roger und ich befinden sich daher in einem ständigen ,,work in process".
Die Grenzen des Musicalgenres sind heute fließender. Das, was es einmal war, eine moderne Form des klassischen Theaters, ist es längst nicht mehr. Das Genre hat heute Platz für neue Spezies. Lediglich die drei Grundregeln, eine gute Geschichte, gute Musik und damit auch einprägsame Melodien mit unverkennbarem Charakter und gute Darsteller in ausgefallenen Kostümen sind geblieben. Wie du sie anwendest, unterliegt heutzutage größerer künstlerischer Freiheit wie noch vor zehn oder 20 Jahren. Was uns besonders gefiel: wir mußten keine Kompromisse machen. Auch wenn es ein ,,Musical" ist, es ist immer noch ,,Rock".
Hörerlebnis: Wie schwierig war es, die "richtigen 25 Songs" für das Musical auszuwählen?
Roger Taylor: Sehr schwierig. Naja, den Rest verwenden wir für ein zweites Musical. - War ein Scherz!
Hörerlebnis: Apropos Geschichte von ,,Musicals". Könnt ihr euch vorstellen, daß das Szenario, das ihr in ,,We Will Rock You" beschreibt, irgendwann einmal real ist? Daß Rockmusik irgendwann einmal tot sein wird?
Brian May: Vor vier, fünf Jahren hatte ich wirklich mal die Befürchtung, daß es so kommen könnte. Um die Jahrtausendwende klang doch alles gleich. Boy- und Girl-Groups sangen aus der Retorte und kopierten sich selbst.
Roger Taylor: Natürlich gibt es Dinge, die sich immer wieder wiederholen. Aber dadurch darf es nicht zum Stillstand kommen. Man muß die Erfahrungen der Vergangenheit nutzen, um etwas Neues zu schaffen. Aber gottseidank haben die Leute und auch die jüngeren Bands begriffen, wie wichtig Live-Musik ist, wie wichtig es ist, live auf einer Bühne zu stehen. Es muß immer alles authentisch sein, um Glaubwürdigkeit zu erlangen.
Hörerlebnis: Somit ist ,,We Will Rock You" also auch nur ein Bestandteil des vielzitierten Kreislaufes, daß sich Rockmusik immer wieder selbstzitiert?
Brian May: Ein Bestandteil ja. Aber auch eine Chance, sich in den Kreislauf einzuklinken. Wenn ich heutzutage Radio höre, bin ich jedes Mal darüber verwundert, wenn immer noch Queen-Titel zu hören sind.
Roger Taylor: Und ich mag es, wenn ich ,,The Darkness" höre, die einen Coversong von uns spielen. Auch das ist Kreislauf.
Brian May: Aber ich denke, es existieren mittlerweile zu viele Rockgenerationen, daß die Gefahr nicht besteht, daß Rockmusik einen Niedergang erlebt. Als es in den 50er Jahren mit Rock`n`Roll los ging, war es etwas Neues. In den 60er Jahren war es Ausdruck von Rebellion. Und in den 70ern war es Mode. Danach kristallisierten sich unterschiedliche Stile heraus, wurden neue Stile erfunden, die gottseidank neben den bis dahin zu Tradition gewordenen parallel existierten. In den 50er/ 60er Jahren gingen die Eltern nicht mit ihren Kids auf Rockkonzerte. Heute ist das normal. Egal, ob bei einem Heavy-Metal oder einem Pop-Konzert. Die Rolling Stones ...
Roger Taylor: ... auch wenn es stets ein mieser Sound ist ... J
Brian May: vereinen sogar drei Generationen. Da siehst du 60jährige, die mit den Stones aufgewachsen sind, du siehst deren Kinder, die mittlerweile wiederum ihre Kinder mitbringen. Solange dies geschieht, wird Rock, egal ob er von einer jungen Grunge-Band aus Seattle oder einer alten Band aus Liverpool gespielt wird, nie aussterben. Bedingung dafür sind natürlich gute Songs, gute Performer.
Hörerlebnis: Und es funktioniert, solange es Bands wie ,,Queen" gibt. Wie geht ihr eigentlich mit dem Mythos, mit dem Ruhm, mit dem Legenden-Dasein um? Könnt Ihr noch unerkannt auf die Straße?
Brian May: Darum geht es nicht, wenn du dir darüber keine Gedanken machst. Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche, auf unsere Arbeit.
Roger Taylor: Das ,,Berühmtsein" hat wie jede Medaille zwei Seiten. Du stehst zum einen irgendwie immer unter Beobachtung, und jeder erwartet von dir, daß du deine Rolle als ,,Rockstar" spielst. Das ist nicht immer einfach, andererseits bekommst du immer einen besseren Tisch im Restaurant. Schlimmer wäre es, wenn du plötzlich nicht mehr erkannt werden würdest. Naja, Brian sieht mittlerweile wie sein eigenes Double aus. Er bleibt mit seiner Matte der ewige Retro.
Brian May: Viel schmerzhafter war der Prozeß, sich von Freddie zu lösen. Auch wenn er noch immer präsent ist, im Herzen, im Kopf, aber er fehlt uns bei der Arbeit. Als ich endlich an dem Punkt angelangt war, mich als Solo-Künstler zu sehen, riefen plötzlich wieder alle nach Queen und der Prozeß begann von Neuem. Du bewegst dich stets auf einem dünnen Pfad, gleichzeitig die Erwartungen anderer und die Wünsche von dir selbst zu erfüllen.
Hörerlebnis: Wie ging ,,Queen" eigentlich mit der Tatsache um, daß Freddie Mercury so etwas wie eine Galionsfigur der Homosexuellen-Szene war?
Brian May: Ich höre das öfters und kann es nicht nachvollziehen. Wer behauptet das? Freddie war in erster Linie Künstler, Musiker und ein grandioser Selbstdarsteller. Aber die Musik von Queen besaß keine spezifische Sexualität. Freddie begeisterte sowohl männliche wie weibliche Fans. Ich habe dieses ,,Gay-Ding" mit Bernie Taupin, Freddies Lebensgefährten diskutiert und wir wissen beide nicht, woher solch ein Vorwurf kommt. Freddie hatte überall Freunde. Ja, auch Peter von den Village People, eine Band, die sicherlich mehr der Homoszene zuzuordnen ist, als Queen, gehörte zu Freddies Freunden. Aber auch die Schauspielerin Barbara Valentin war eine gute Freundin von Freddie. Ich hatte mit Freddie eine sehr innige Freundschaft, die insbesondere beim Songwriting zum Ausdruck kam. Ich erinnere mich noch gut an seine letzten Tage, und daran als wir ,,The Show Must Go On" schrieben. Sexualität war da nie ein Thema. Unsere Freundschaft basierte auf der gemeinsamen Faszination für unsere Musik. Freddie machte sein ganzes Leben seine Homosexualität öffentlich nicht zum Thema. Erst kurz vor seinem Tod gab er seine Erkrankung an AIDS bekannt. Die Wirkung von Freddie ist geschlechtsübergreifend. Ich z.B. stehe total auf Britney Spears, ohne gleich mit ihr ins Bett gehen zu wollen. Immer wenn du im Rampenlicht stehst, suchen die Leute nach neuen Images, neben dem, daß du ohnehin schon projizierst. Ich denke, vieles, was Freddie gemacht hat, entstand aus purer Laune, er war ein grandioser Entertainer. Freddie war darin sehr clever, sich zu inszenieren. Und wenn das auch homosexuellen Männern gefiel, ist das genauso ok, als wenn das Frauen gefiel. Sich darüber Gedanken zu machen, ist Zeitverschwendung. Und die Zeit, Grenzen in der Sexualität zu ziehen, ist gottseidank vorbei.
Hörerlebnis: Was auch ein wenig politisch klingt. Bist du ein politischer Mensch?
Brian May: Queen waren nie politisch. Es ging nie um politische Botschaften. Wer das nicht wirklich vermag auszudrücken, ich meine außerhalb der Politik selbst, sollte es sein lassen. Ich bin nicht Bob Dylan, den ich sehr schätze, weil er wie kein anderer, Gefühle, - auch zu allem gesellschaftspolitischen, derart in wortgewaltigen Bildern zu formulieren vermag, daß seine politische Botschaft zu Kunst wird.
Hörerlebnis: Übrigens arbeitet auch Bob Dylan an einem Musical...
Brian May: Ich hoffe, es wird den Titel ,,With God On Our Side" tragen. Seine Biographie als Musical inszeniert, würde mich weniger interessieren. Für mich wäre wichtiger, seine Sicht der Dinge inszeniert zu sehen. Ich kenne Bobs derzeitigen Standpunkt nicht, aber egal, welchen er hat, er weiß ihn stets mit seinen Texten genial darzustellen. Ich liebe seine bildhafte Auseinandersetzung mit Politik und mit Menschlichkeit. Bob Dylan ist ein, wenn nicht der Gewinn unserer Generation in der Rockgeschichte. Er geht hin und sagt: Hey man, Stopp, mach mal langsam, geh einen Schritt zurück und schau dir an, was du da gerade tust, und frag dich, ob da wirklich ,,God On Our Side" ist.
Die Kunst, so etwas in der Art ausdrücken zu können, beherrsche ich nicht.
Hörerlebnis: Immerhin habt ihr Euch 2003 für das Nelson Mandela-Konzert eingesetzt, wart beim ,,Live Aid" 1985 involviert...
Brian May: Ja, das war unser musikalischer Input. Ansonsten unterwerfe ich mich den Gesetzen der Demokratie und der freien Meinungsäußerung. Hätte ich in den USA wählen dürfen, ich hätte George Bush nicht gewählt. Für mich hat dieser Kerl mehr dazu beigetragen, den Weltfrieden zu zerstören, als jeder andere zuvor in der Geschichte.
Hörerlebnis: Wir sprechen die ganzen Zeit von euch und Freddie. Was macht eigentlich euer Bassist John Deacon?
Brian May: John haben wir darauf angesprochen, bei ,,We Will Rock You" mitzumachen, ebenso wie bei den anderen Projekten, die wir noch vorhaben. Aber er ist nicht interessiert. John ist ein sehr stiller Mann und liebt die Zurückgezogenheit.
Roger Taylor: Er bekommt ,,money for nothing".
Hörerlebnis: Was ist an den Gerüchten, Queen würden eine Reunion mit Robbie Williams anstreben?
Roger Taylor: Robbie ist ein fantastischer Sänger, und er hätte die richtige Performerqualität. Und ja, es war wirklich eine Tournee durch die USA im Gespräch. Aber durch die Arbeit am ,,We Will Rock You"-Musical und John Deacons Zurückgezogenheit verwarfen wir das Ganze wieder.
Hörerlebnis: Aber ihr habt noch altes unveröffentlichtes Queen-Material auf Halde und auch bereits neue Songs geschrieben.
Brian May: Auch das ist richtig. Einige der neuen Songs haben Roger und ich auch schon teilweise live auf der Bühne bei einigen Gigs präsentiert.
Hörerlebnis: Wird es zu einem neuen Queen-Album kommen?
Roger Taylor: Das ist nicht ausgeschlossen .
Hörerlebnis: Im Internet kursieren massig Gerüchte, daß Ihr mit Paul Rodgers touren werdet?
Brian May: Ja, das ist richtig. Es läßt sich kaum mehr leugnen, da Roger in einem Interview bereits darüber gesprochen hat.
Hörerlebnis: Wie muß man sich die Live-Performances vorstellen?
Brian May: Es wird sowohl Material von Queen, und hierbei vor allem auch bisher noch nicht live gespielte Titel geben und Roger wird auch den einen oder anderen Bad Company oder Free-Titel und Solo-Songs spielen. Wir werden einfach Spaß haben und spielen zusammen ohne jeglichen Reunion-Gedanken. CG