Autorenvorstellung: Stephan Rüter


Der lange Weg vom Volksempfänger zum High End

In den ersten Jahren der Nachkriegszeit diente das Radio in meinem Elternhaus ausschließlich dazu, Nachrichten zu hören. Erst Mitte der fünfziger Jahre hörte meine Mutter gelegentlich auch Musiksendungen. Auf Anhieb fallen mir Radiofabrikate jener Jahre ein, beispielsweise Saba, Telefunken, Nordmende, Kuba, Grundig, Schaub-Lorenz und viele mehr. An deren grünen, "magischen Augen" (Anzeigeröhren) ließ sich die Feldstärke der einfallenden Sender ablesen...

Mein persönliches Interesse für Musik entstand mit den Sendungen von Chris Howland ("Heinrich Pumpernickel", wie er, der Brite, sich stets selbstironisch nannte). Dieses Hörerlebnis war mir nur dann gegönnt, wenn mein Vater nicht zugegen war: "Stell' den englischen Quatsch ab!", so lautete grundsätzlich sein Kommentar.
“Es gibt, so denke ich, kein schöneres Hobby.”
Als Organist und Chorleiter war er mehr der kirchlichen und der Volksmusik verbunden.
Anfang der sechziger Jahre begann die Zeit der Stereoanlagen. Diese Musiktruhen, so nannte man sie, waren Möbelstücke mit Radio, Schallplattenständer (meistens jedenfalls) und einem Plattenspieler von Dual oder Perpetuum-Ebner. Und die Ausgangsleistung bewegte sich in der Größenordnung von bescheidenen sechs bis zehn Watt - etwa.
Meine Lieblingsmusik bis dahin war ausschließlich der Rock'n Roll. Älteren Herrschaften sind die Namen Fats Domino, Little Richard, Elvis Presley, Cliff Richard, Bill Haely und auch Peter Kraus sicherlich noch bekannt. Ab den Sechzigern entdeckte ich die Beatles und die Beach Boys. Es dauerte doch geraume Zeit, bis ich Männer-Kopfstimmen akzeptiert habe - ein echter Rock'n-Roll-Fan wollte mit diesem "Eunuchengesang" nicht in Verbindung gebracht werden.
Nach und nach erweiterte sich mein musikalischer Entdeckungsdrang und Gruppen wie Supertramp, Bee-Gees bis hin zu Chicago lagen voll im Trend. Besonders mit der Gruppe Chicago stellte sich eine völlig neue Hörgewohnheit ein; mein Hörspektrum öffnete sich nach allen Seiten.
Mitte der sechziger Jahre konnte ich mir dann endlich eine eigene Stereoanlage kaufen. Sie bestand aus einem Receiver Saba 8080 (für jüngere Leser: Receiver - dies war eine Kombination aus Tuner und Vollverstärker, seinerzeit beliebt und weit verbreitet), welcher die baßtüchtigen Blaupunkt-Lautsprecher antrieb, die als finanzieller Kompromiß zu sehen waren. Schon zu dieser Zeit nämlich quälte mich der Wunsch nach besserer Musikqualität. Jeder Besuch in einem Hifi-Laden brachte mein Blut in Wallung. Die aufkommenden Wünsche, das geistige Zusammenstellen meiner Traumanlage, endeten in schlaflosen Nächten. Das hat sich übrigens bis heute nicht geändert.
Es dauerte nicht lange, und die Anlage bestand aus einem Receiver Braun Regie 510, Heco-Boxen, Braun-Plattenspieler mit Riemenantrieb und einem Vierspur-Tonbandgerät Braun TG 1000. Doch ein weiteres Schlüsselerlebnis brachte auch diese deutschen Nobelhersteller-Geräte in den Abstellraum.
In Osnabrück sah ich zufällig ein Hinweisschild: "zur Hifi-Ausstellung". Zum Entsetzen meiner Frau zählte ich wenig später zum Besucherkreis. Es war eine Vorführung von Bose, die mich sofort faszinierte. Die Anlage: Vorverstärker 4401, Endstufe 1801 und Bose-Lautsprecher 901 II mit Equilizer. Das Erlebnis wirkte auf mich so stark, daß ich es auch heute nicht in Worte fassen kann. Besonders faszinierend: Der relativ kleine Lautsprecher zauberte eine unglaubliche Live-Atmosphäre - und das sogar im riesigen Klassenzimmer einer Schule. Wie kam ich nur an diese Bose-Box 901 heran ...? Insider wissen noch: acht Chassis strahlten nach hinten ab und nur eines nach vorne. Als ich dann endlich diese Boxen besaß, war ich immer noch nicht glücklich, denn der Braun Regie 510 und der zwischengeschaltete Equilizer harmonierten überhaupt nicht. Das Ein- und Ausschalten verursachte ein beängstigend lautes Geräusch. Dies aber wurde schnell abgestellt, indem ich einen Marantz 2270 kaufte - der seinerzeit zu den aufwendigsten und leistungsstärksten Receivern überhaupt gehörte. Jetzt war die Hifi-Welt für einige Jahre in Ordnung, jedoch: Die Hochtonauflösung wurde bei anderen Lautsprechern immer besser, die 901 kam in die Jahre. Als Beschallungs-Lautsprecher war sie gleichwohl noch lange aktuell.
Von Bose wechselte ich zu Infinity-Lautsprechern. Die magnetostatischen "Emim"- und "Emit"-Hoch-/Mitteltöner boten ein so bezauberndes Klangbild ... doch der Baß aus Polypropylen war "butterweich", ein Ärgernis, das schnell Folgen hatte...
Und nun begann für mich der High-End-Einstieg. Ich kaufte mir die Quadral-Lautsprecher Titan II, aus jeder Hifi-Zeitschrift als "Referenzlautsprecher" bekannt. Die Yamaha-Endstufe M 85 brachte die entsprechende Leistung. Wie ich hier schon andeute, hat sich die Elektronik bei mir fast immer nach den Boxen zu richten; in meiner Geräte-Auflistung ist das gut zu erkennen.
Die Kabel spielten bis dahin eine nur untergeordnete Rolle; Boxenkabel mußten mindestens 6, besser noch 10 Quadratmillimeter Querschnitt aufweisen. Dann las ich von dem Industriekabel RG 214 - eine Hifi-Zeitschrift zeigte sehr anschaulich, wie dieses kaum zu "bändigende" Kabel in eine Lautsprecherleitung umfunktioniert werden konnte. Die Innenleiter und die verdrillten Drähte waren nur mit Zangen zu formen, doch der nächtelange Zeitaufwand lohnte sich! Der Klanggewinn war riesig, obwohl es keine Erklärungen, sondern nur Spekulationen von Fachleuten gab. Dessenungeachtet war es das Startzeichen für Entwickler und Kabelhersteller, die Kabelforschung intensiver zu betreiben.
Im Rückblick gesehen, bin ich ein echter Hifi-Dinosaurier, in jungen Jahren bereits dem Hifi-Bazillus verfallen - und der hält mit Sicherheit lebenslang an. Es gibt, so denke ich, kein schöneres Hobby. Zugegeben, die Hifi-Geräte, die ich bisher gekauft habe, sind ein kleines Vermögen wert; doch die "Entlohnung", der Spaß und der Genuß, sind mit Geld nicht zu bezahlen, auch wenn die Gegenleistung halt "nur" abgehörte Musik beinhaltet. Mit greifbarer Musik wird ein Spannungsfeld aufgebaut, das vom reinen Erlebnis bis zur absoluten Faszination reicht. In diesem Zusammenhang möchte ich noch sagen: Viele namhafte Fabrikate sind aus der Hifi-Szene verschwunden, doch darin liegt die Chance neuer Hersteller, sich mit neuen, vielleicht gar revolutionären Entwicklungen am Markt zu etablieren.

Schlußbemerkung
Die Musik ist für die Menschheit in allen Erdteilen eine kulturelle Bereicherung, das steht mit Sicherheit außer Frage. Doch wie viel Hifi oder High End ein Mensch braucht, muß jeder für sich entscheiden. Hier nämlich reicht die Skala je nach Bazilluseinwirkung von "befallen" bis "total besessen"... Mein emotionaler Gradmesser richtet sich nach dem Pulssensor, der dauernd zwischen Verstand und Herz pendelt. Feststeht, daß mein Leben ohne Musik und entsprechende High-End-Geräte um ein vielfaches ärmer wäre.

SR

Anlage
Vorverstärker: Accuphase C-275
Endstufe: Accuphase P 700
CD-Player: Accuphase DP 75V
Plattenspieler: Transrotor Pianta
Tonarm: SME V
Tonabnehmer: Ortofon Rohmann
Phonovorstufe: Tessendorf Phono
Lautsprecher: Wilson Puppy 5.1 E
Lautsprecherkabel: NBS Monitor IV
NF-Kabel: NBS Monitor III
Netzkabel: NBS Monitor III und IV
Zubehör: Acapella Audio Arts (Basen) Audio Magic, SSC-Base

Damit genieße ich meine Musikrichtungen:
Blues, Jazz (Vokal-Jazz), Klassik, Klavierkonzerte. Und ewige Klassiker bleiben: Pink Floyd, Dire Straits, Police, Eric Clapton, Spliff, Chicago...