HÖRERLEBNIS 35


Röhrenvollverstärker Cary Audio CAD-2A3-SI

Moderne Zeiten - aber mit Gefühl...

von Wolfgang Vogel

Wer sich heutzutage mit Röhrenverstärkern beschäftigt, kommt an Dennis Had nicht vorbei. Immerhin ist der Mastermind der Firma Cary Audio Inc. seit etlichen Jahren einer der rührigsten Kämpfer für die glimmenden Glaskolben im Verstärkerbau. “Power corrupts!”, so sein gängigstes Glaubensbekenntnis, gilt auch für eines der neuesten Produkte aus dem Hause Cary, den mit vier 2A3-Trioden bestückten Vollverstärker CAD-2A3-SI. Der in push-pull Schaltung immerhin (laut Herstellerangabe) satte 15 Watt pro Kanal liefernde Vollverstärker stellt unter den neueren Carys eine Art Gegenpol zu den gewaltigen, mit der Riesenröhre ‚1610’ von KR Enterprise bestückten Monos dar. Auch bei der 2A3-SI finden sich in der Bestückung Produkte der Firma von Dr. Riccardo Kron, nämlich seine Variante der klassischen 2A3-Röhre.
Die für viele ansprechende, chromgeprägte äußere Erscheinung ist ganz klar Geschmackssache; persönlich nicht zu 100 % “mein Ding” - aber gut gemacht allemal. So gesehen (!) gehört die Optik mit den blauen 2A3-Röhren jedenfalls zu den Pluspunkten dieses Vollverstärkers. Das stabile Gehäuse vermittelt Wertigkeit, ein Eindruck, zu dem auch die 19 kg Gewicht beitragen, die dieser Amplifier auf die Waage bringt. Mit einer kleinen Ausnahme: Die Übertrager könnten noch etwas besser bedämpft sein, da sie die Kron’schen 2A3-Derivate beim Einschalten gelegentlich zum ‚klingeln’ (= hörbares Mitschwingen der Glaskolben) anregen - zumindest bei nicht optimaler Aufstellung. Zur Optimierung später etwas mehr. Die beiliegende Fernbedienung unterscheidet sich erfreulicherweise wohltuend von den üblichen Plastikteilen: “Wenn schon, dann solides Metall!”, so etwa muß es Mr. Had durch den Kopf gegangen sein. Der gut in der Hand liegende Geber beeinflußt zwar nur Lautstärke und eine Mute-Schaltung, funktioniert aber zuverlässig und problemlos.


Ein paar Details

Der als Push-Pull Class A-Triode aufgebaute CAD-2A3-SI wird mit 15 Watt/Kanal angegeben. Etwas optimistisch, wie ich finde. Subjektiv hätte ich eher auf 10 Watt getippt - aber glauben wir dem Datenblatt mal. Ein Lautsprecher mit einem Wirkungsgrad von ca. 89 bis 90 dB als Untergrenze sollte es nach meinen Eindrücken jedenfalls schon sein, den man mit dem Cary betreibt. Ich habe mir, da ich den 2A3-SI im Full-Range-Betrieb laufen lassen wollte, ein Pärchen der neuen Outsider “Experience” vom Hersteller geliehen. Mein eigenes “Escape”-System arbeitet ja unterhalb von 80 Hz mit einem vollaktiven Subwoofer; daher war es nötig, mir einen “normalen” Speaker mit gutem Wirkungsgrad (hier: 94 bis 95 dB) und adäquater klanglicher Qualität zu besorgen. Was lag also näher, als mir den neuen, “kleinen” Outsider-Lautsprecher zu holen (da ich diesen bereits einige Male zuvor gehört habe, war es das, was man im englischsprachigen Raum als “safe bet” bezeichnet)?
Doch ich schweife ab - zurück zum eigentlichen Gegenstand des Berichts. Zwei Röhren vom Typ 6DJ8 bzw. 6922 finden als Eingangsröhren der Vorstufe Verwendung, zwei 6BL7 teilen sich den Job als Treiber und Phaseninverter. Als Ausgangsröhren sind insgesamt vier der bereits angesprochenen 2A3-Versionen eingesetzt. Auch die Bauteile im Inneren des Verstärkers sind von sehr guter Qualität. Der Stromverbrauch hält sich mit 65 Watt im Standby-Betrieb und 105 Watt “bei der Arbeit” erfreulich in Grenzen. Die empfohlene Einspielzeit beträgt 100 Stunden - ich würde zu mehr raten. Es nehmen sowohl Auflösung als auch Kontrolle tatsächlich mit zunehmender Nutzung eindeutig zu, so daß eine weitere Steigerung mir sehr wohl möglich erscheint.

Die Ausstattung
Eher spartanisch ausgestattet kommt der Cary daher: Drei Eingänge (CD, Aux1 und Aux2), ein Ausgang (plus zusätzlichem Sub-Out), sowie vier Drehknöpfe für Lautstärke, Balance, Eingangswahl und Ein-/Standby-/Aus-Schalter - das ist alles. Genügt auch. Ich bin sowieso schon lange aus der “Je mehr Knöpfe, desto besser”-Phase heraus... Also erst einmal aufstellen und anschließen, das Ding. Die Röhren sind schnell installiert, die nötige Verkabelung angebracht - dann mal los... Doch halt: Schnell erweist sich, daß er schon einigermaßen aufstellungskritisch ist, der Beau aus den USA. Denn die bereits erwähnte Neigung zum Mitschwingen der Röhren verschwindet nach der Aufstellung in meinem Rack von Pro String vollständig. Probehalber zurückgestellt in ein einfaches Regal taucht es immer wieder mal auf: Also ist eine erstklassige Entkopplung Pflicht - einfach nur hinstellen und vergessen ist nicht angesagt! Etwas Sorgfalt erwartet diese “Röhre” von ihren Besitzern schon. Und genauso habe ich es während meiner Hörsessions dann folglich auch gehalten - so ungern ich in meinem Rack auch umräume, es mußte sein!


Musik, zwo, drei!

Um nun verständlich darzustellen, was diese Verstärkereinheit aus dem Hause Cary wirklich kann, möchte ich nun drei Beispiele anführen, deren erstes natürlich (ich höre schon Ihr gequältes Stöhnen, aber da müssen Sie durch!) mal wieder dem Bereich des New Country entstammt.
Der (zumeist) fröhlich-angenehme Sound auf Alan Jackson’s 1992er Album “A Lot About Livin’ (And A Little ‘Bout Love)” (ARISTA 07822-18711-2) macht so richtig Spaß. Die herrliche Sebstironie in Sachen ‚schmachtende Balladen’ etwa, die Mr. Jackson so locker-beschwingt in “Up To My Ears In Tears” besingt, wird grandios herausgearbeitet. Von einer zu Beginn - also in uneingespieltem Zustand - beim Cary vorhandenen, etwas holperig-unausgewogenen Wiedergabe sollten Sie sich dabei nicht irritieren lassen. Das legt sich nach einiger (Einspiel-)Zeit! Der Fluß der Musik, der auch eine Ballade wie “Tonight I Climbed The Wall” oder den swingenden “Mercury Blues” auszeichnet, kommt wirklich schön zur Geltung.
Sehr schön! Vielleicht sogar zu schön? Also versuche ich es einmal mit “Paddy goes to Holyhead”. Ja, Sie haben richtig gelesen: Eine Irish Folk-Band aus Darmstadt, deren Musik so richtig gute Laune verbreitet. Der Song “Shirinovski” (vom Album “Ready for Paddy?”, 1994, Holyhead Records 280362-PGTH-03) muß sprühen vor Aggressivität, vor Verachtung, vor regelrechtem Haß auf diesen menschenverachtenden Möchtegern-Diktator.
Der CAD 2A3-SI ihrerseits bringt nun zwar problemlos das Wesentliche des Werks zu Gehör - aber (zumindest in meiner Kombination) ein wenig zu rund, zu glatt. Irgendwie nicht “rough” genug. In einer potentiell etwas hell abgestimmten Kette dagegen dürfte es genau richtig sein, was der Cary bietet. Außerdem werden selbst wirklich schlecht aufgenommene Scheiben niemals lästig - immer werden (gnädigerweise) die schlimmsten Fehler abgeschwächt. Fast so, als wüßte der Amp um die mangelnden Qualitäten der jeweiligen Aufnahme. Ein “Nur-Weichzeichner” ist der 2A3 SI aber nicht.
Gute Aufnahmen werden mit ihm zum Genuß. So werden die Streichquartette von Haydn, op. 71, in der Aufnahme mit dem Auryn-Quartett (TACET 31), derart wunderbar wiedergegeben, daß es einfach nur Freude macht. Hören Sie sich das Vivace des Quartetto in Es an - sie werden sofort verstehen, was ich meine. Der ganze Schmelz der Streicher verströmt sich im Raum, die Atmosphäre baut sich auf - “Papa” Haydn mal weder langweilig noch fade. Eine beeindruckende Aufnahme in hervorragender Interpretation - alles paßt zusammen!

Bei Röhrengeräten leider kein Standard: eine Fernbedienung

Special
Durch einen Zufall stellte ich dann fest, daß sich der “Sub-Out” auch als Eingang benutzen läßt. Dann steht zwar nur noch eine einzige Quelle zur Verfügung - aber es klingt erstaunlicherweise nochmals ein wenig besser. Meine Schlußfolgerung daraus: Wenn es etwas zu verbessern gibt, dann wohl vorrangig die Vorstufensektion - sie scheint die etwas weniger optimierte Baugruppe des Vollverstärkers darzustellen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Sie ist beileibe nicht schlecht, aber “a bisserl was geht allaweil...”, wie man südlich des “Weißwurstäquators” zu sagen pflegt. Doch ich will diesen Bericht nicht unnötig trölen und komme also zum...
Fazit: Jenseits meiner bisherigen Kritteleien bis hierher gilt: Der Vollverstärker Cary CAD 2A3-SI stellt, über alles betrachtet, eine durchaus gut gelungene Symbiose aus Röhrentechnik, Bedienkomfort, Klang und Optik dar. Das Klangbild ist recht durchsichtig, aber nie nervig; die detailreiche, aber niemals übertrieben analytische und doch volle Wiedergabe bleibt stets auf der angenehmen Seite des Spektrums. Man könnte sagen: Ein sympathischer musikalischer Begleiter in allen klanglichen Lebenslagen. Eine Kombination mit sauber zeichnenden Lautsprechern ermöglicht ein homogenes Klangbild, was seinerseits in einem stundenlangen, streßfreien Musikgenuß resultiert. Es fällt leicht, sich abends einfach in den Hörsessel zu drapieren und die Musik auf sich einströmen zu lassen. Selbst wenn insbesondere der unterste Baßbereich noch ein wenig mehr an Präzision hergeben könnte, fällt es mir nicht allzu schwer, diesen Verstärker allen ans Herz zu legen, die einen Vollverstärker suchen, der musikalisch-vollmundig im klassischen Sinne musiziert. Features wie Fernbedienbarkeit und (Chrom-) Optik werden sicher ebenfalls zum Erfolg des Cary 2A3-Amps beitragen. Und alle, die (wie ich) eine Remote Control für überflüssig halten, müssen sie ja nicht benutzen...

WV

Das Produkt: Röhrenvollverstärker Cary Audio CAD-2A3-SI
Abmessungen (BxHxT): 17,8 cm x 43,2 cm x 40,6 cm
Gewicht: 19 kg
Preis: 12.400,- DM
Vertrieb: Thiel & Partner GmbH, Kantstr.1, D- 50259 Pulheim, Tel.: 02238/964041, Fax. 02238/82450, Internet: http://www.thiel-partner.de

gehört mit:
Raum: Grundfläche 18 qm (5,50 m Länge, 3,30 m Breite, nichtparallele Längswände, Teppichboden);
Plattenspielerlaufwerk: Luxman PD 310;
Tonarm: Fidelity Research FR 64 S;
Tonabnehmer: Audio Technica AT OC 10, Ortofon SPU Meister;
Phonostufen: Greenwall RIAA, Brinkmann Fein;
CD-Laufwerke: Mark Levinson No. 37, PS Audio Lambda; Digital Link / Interface: Wadia DIGILINK 40;
DA-Wandler: Wadia 64/4, Mark Levinson No. 360;
Vorverstärker: Spectral DMC 12 (mit optimierter Spannungsstabilisierung vom outsider team);
Endverstärker: Golden Tube SE 300B II mit Vaic (VV 30 B)-Endröhren, sonst NOS-Bestückung;
Lautsprecher: Outsider Experience & Escape;
Kabel: Ortofon 8N (Phono, NF und LS), SunWire (Digitalkabel - symmetrisch und asymmetrisch), Wadia ST-optisch;
Zubehör: Netzkabel von Ensemble, SAC, Sun Audio und XLO; Netzleisten von Audio Agile und Sun Audio; Omtec Power Controller; Spikes von Etalon und Oehlbach;
Rack Canorus 1 von Pro String mit quarzsand-/bleischrotgefüllten Böden; LS-Basen DymAkustik Maquie; Sessel “Stressless” von Ekornes