HÖRERLEBNIS 33: Technik
Lautsprecher: Uno von Avantgarde Acoustic
Jenseits von Eden ...
von Robert Schmitz-Niehaus
Ich liebe es, mich in meinem Sessel zurückzulehnen, die Augen zu schließen, um gänzlich in die Musik eintauchen zu können. Dann vergesse ich alles um mich herum. Diese Momente in meinem Leben sind für mich äußerst wichtig und ich tue viel dafür, diesem Genuß regelmäßig frönen zu dürfen. Seitdem ich das Hornsystem Uno von Avantgarde Acoustic in meinem Hörraum stehen habe, häufen sich diese Stunden, die ich so gern vor der Anlage verbringe.
Das ist deshalb erwähnenswert, weil ich bisher den Zugang zu solchen Konstruktionen nicht hatte finden können. Eines der für mich persönlich abschreckendsten Beispiele dieser Spezies ist das Klipschhorn, das für mich unter dem Synonym "grobdynamischer Brüllwürfel" läuft und eine ganze Gattung verteufelt: fette Bässe, vordergründige Mitten und indiskutable Höhen. Hinzu kommt, daß es in unserer Szene eine ganze Reihe von mittelmäßigen Entwicklern gibt, die sich erdreisten, grottenschlechte Hornlautsprecher auf den Markt zu werfen. Zwei rühmliche Ausnahmen will ich gerne nennen, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben: Acapella und CD-Konzertmöbel. Die einen sind ziemlich teuer, die anderen gehen einen technisch sehr unkonventionellen Weg. Beide können jedoch auf ihre Entwicklungen stolz sein. Und nun heißt es, für einen dritten Hersteller eine Lanze zu brechen: Holger Fromme, Kopf von Avantgarde Acoustic. Seine Uno - Gegenstand dieser Besprechung - ist der kleinste Sproß im aktuellen Programm, gefolgt von Duo und Trio, die zwar noch mehr können, aber preislich in einer anderen Liga spielen.
Die Uno eröffnet nicht nur eine neue Dimension des Musikhörens, sondern verlangt ebenfalls ein Umdenken bezüglich des Lautsprecherdesigns. Zwar mögen die zwei sphärischen Kugelwellenhörner inklusive aktivem Subwoofer im Gegensatz zu den größeren Geschwistern in ihren Abmessungen stark verringert ausfallen, Durchschnittliches gewohnte Menschen begegnen ihnen jedoch mit gehörigem Respekt. Diese Wandler haben etwas sehr Eigenständiges, ein unverwechselbares Charisma. Auf mich übt so etwas einen besonderen Reiz aus. Denn ich mag diese Art der Optik, finde sie interessant-extravagant und irgendwie wohltuend anders.
Obwohl die Uno in der Höhe 145 cm, in der Breite 57 cm und in der Tiefe beachtliche 71 cm mißt, ist sie für kleinere Räume gedacht. 16 qm sollten durch den Hausvorstand abgesegnet für sie schon zur Verfügung stehen, bevor man sich auf eine intensive Beziehung mit diesem Lautsprecher einläßt. Bekommen Sie also keinen Schreck, wenn die Spedition kurz nach dem Kauf zwei monströse Kartonagen anliefert, die die halbe Garage in Beschlag nehmen. Dieser erste Kontakt in den heimischen Gefilden ist ein bleibender. Die überaus professionell gemachte Verpackung läßt großzügig über die erdrutschartige, finanzielle Talfahrt auf dem familiären Konto hinwegsehen. Bevor aber der Musikgenuß einsetzt, ist noch harte Arbeit angesagt. Die schwergewichtige Uno wird zwar in betriebsfertigem Zustand vom Handel oder Hersteller ausgeliefert, doch aus Sicherheitsgründen sind die beiden Hörner in einer platzsparenden Transportposition montiert. Später erfolgt ihre Fixierung je nach Hörplatz im Gestell in einer der drei möglichen, verschiedenen Höhen mittels Rändelschrauben. Dabei ist darauf zu achten, daß jeweils die gleiche Bohrung in den Gehäuserohren gewählt wird. Unter den Hörnern sitzt freihängend der aktive Subwoofer, ebenfalls über Rändelschrauben fest mit dem Gestänge verbunden, was eine sehr gute akustische Abkopplung des Basses vom Boden bedeutet.
Der Übertragungsbereich des Hochtöners H1 reicht theoretisch bis unter 1 kHz. Er ist mit seinem extrem dimensionierten Magneten (3 kg Gewicht) in ein längliches Gehäuse eingelassen, was recht schwer ist und einen überaus soliden Eindruck macht. Am kleinen Kugelwellenhorn montiert, schafft er immerhin einen Schalldruck von 100 dB. Die Kalotte des Mitteltontreibers mißt 65 mm, obwohl es sich um ein 100 mm-Chassis handelt. Auch hier legen die Entwickler großen Wert auf einen breitbandigen Übertragungsbereich. Nach unten läuft er im "full range"-Betrieb ungebremst aus, was durch ein von Avantgarde entwickeltes CDC-System möglich ist. Die Tieftonarbeit übernimmt ein aktiver Subwoofer mit zwei parallel geschalteten 8 Ohm/270 mm-Baßwandlern. Das Gehäuse ist im Innern versteift, um klangverschlechternde Schwingungen möglichst auszuschließen.
Die aktive Frequenzweiche ermöglicht über kleine Potis eine stufenlose Veränderung des Pegels und der Trennfrequenzen. Somit läßt sich das System selbst in aufstellungskritischen Situationen dem persönlichen Hörgeschmack anpassen. Ein drei-stufig schaltbarer Subsonicfilter, ebenfalls an der Rückseite des Baßmoduls, läßt die Wahl zwischen 20, 25 und 30 Hz zu.
Hörner sind Drucktransformatoren, die in Verbindung mit einem Treiber genau umgekehrt funktionieren wie das menschliche Ohr. Das ist einleuchtend. Und weil unser Ohr konstruktiv bedingt ähnlich funktioniert, nehmen wir feinste Unterschiede wahr. Obgleich wir unsere Sinne im Vergleich zu bestimmten Tieren nur rudimentär nutzen können. Gute Hörner sind bezüglich der Wiedergabe von Musik deshalb am ehesten mit einer Lupe zu vergleichen. Sie decken erbarmungslos jede nur denkbare Schwäche des vorgeschalteten Equipments oder aber der aufgelegten Software auf. Man darf in diesen Fällen durchaus von mimosenhaftem Charakter sprechen und besonders dann, wenn Schallwandler so schnell sind wie die von Avantgarde Acoustic. Die Schnelligkeit ist ein wichtiges Kriterium. Je ausgeprägter die Sprintfähigkeiten eines Lautpsrechersystems sind, desto mehr Informationen kann es übermitteln. Deshalb orientieren sich die Avantgarde-Entwickler mehr am Ein- als am Nachschwingverhalten eines Chassis. Für sie ist diese Zeitspanne zwischen dem Anliegen der elektrischen Spannung an den Lautsprecherklemmen bis zum Erreichen eines definierten Schallpegels besonders wichtig, da jede Box ja nur Informationen verarbeiten kann, die langsamer sind als sie selbst. Der ganze Rest an Feininformationen wird zwangsläufig verschluckt.
Avantgarde Acoustic arbeitet grundsätzlich mit sphärischen Kugelwellenhörnern. Sie vermeiden nach Aussage von Holger Fromme die typischen Fehler von Exponentialkonstruktionen. Diese gehen fälschlicherweise davon aus, daß sich vom Hornanfang eine ebene Schallquelle ausbreitet. Dabei bleibt unberücksichtigt, daß der entlang der Hornachse laufende Schallanteil eine kürzere Strecke zum Hörer zurücklegen muß. Kugelwellentrichter bieten wesentlich bessere Abstrahlbedingungen, weil hier die Erkenntnis im Vordergrund steht, daß die Wellenfläche im Horn keine senkrechte Ebene zur Trichterachse darstellt, sondern die Form einer Kalotte hat. Die Hornöffnung fällt mit 180 Grad doppelt so groß aus wie bei einem Exponentialhorn, woraus sich eine gleichförmigere Abstrahlcharakteristik über das gesamte Frequenzband ergibt.
Avantgarde Acoustic nimmt für sich in Anspruch, als erster Hersteller der Welt seine Kugelwellenhörner in einer aufwendigen Spritzgußtechnik zu fertigen. Hierbei wird flüssiger ABS-Kunststoff mit bis zu 2.500 Tonnen Druck in eine Stahlform gespritzt. Toleranzen von maximal 0,05 mm sollen einen bisher nicht realisierte Maßhaltigkeit des Hornverlaufs garantieren. Um die Abstimmungsschwierigkeiten bei Frequenzweichen wissend, kommt bei den Treibern ein "Controlled Dispersion Characteristic" (CDC)-System zum Einsatz. Es bewirkt, daß jeder Treiber nur in einem genau definierten Frequenzbereich arbeitet. Zwischen Treibermembran und Hornhals wird eine kleine Vorkammer angebracht. Der Treiber strahlt nicht direkt, sondern über ein kleines Luftkammer-Volumen in die Hornhalsöffnung. Dieses Luftvolumen wirkt als eine Art Bandpaßfilter und bedämpft automatisch Frequenzen, was einem steilflankigen Abfallen an den Übernahmepunkten gleichkommt. Sich auf diese Technik stützend, arbeitet beispielsweise der Mitteltonbereich frequenzweichenlos. Nur der Hochtöner wird über einen Kondensator geschützt. Das Resultat: wenige Bauteile im Signalweg kommen dem Klang zugute.
Die Uno ist das Einsteigermodell in die Lautsprecherliga von Avantgarde Acoustic. Optisch ähnelt sie ihrer größeren Schwester Duo sehr. Unterhalb des Hochtöners ist der aktive Subwoofer angebracht, dessen Chassis auf einer geraden und nicht mehr angewinkelten Schallwand ihren Dienst verrichten.
Kommentar
Bevor ich mich nun über einige Monate mit der Uno beschäftigen durfte und sie sehr liebgewonnen habe, will ich einführend nicht verschweigen, daß mich Avantgarde Acoustic-Lautsprecher bei Vorführungen in der Vergangenheit nicht überzeugt haben. Deshalb bitte ich meinen Hinweis, sich intensiv mit diesem Hornsystem auseinanderzusetzen, nicht leichtfertig beiseite zu schieben. Wer ihn beherzigt, wird ganz sicher eine neue Erfahrung machen, vielleicht sogar eines der so raren Schlüsselerlebnisse haben. Die überaus attraktive Uno wiegt fast 50 kg. Ihre Größe ist nun einmal eine konstruktionsbedingte Eigenschaft von Hornlautsprechern haben. Das hängt mit der physikalisch unabänderlichen Wellenlänge des Schalls zusammen.
Nun gibt es die verschiedensten Möglichkeiten des Hörens. Der eine bevorzugt das Nahfeld, wie es in Studios praktiziert wird, der andere möchte gern ein paar Meter mehr Abstand zu den Lautsprechern. Aufgrund der recht weit auseinander liegenden Chassis und der Probe aufs Exempel bevorzuge ich eine Hörentfernung von mindestens 2,50 Meter, besser noch drei Meter. Die Distanz zwischen den Lautsprechern (jeweils Mitte Hochtöner gemessen) sollte 2,20 Meter nicht unterschreiten. Ich habe die Unos bis zu vier Meter auseinandergestellt. Bei den größeren Distanzen zeigt der Lautsprecher dann, was wirklich in ihm steckt. Rückwärtig bedarf es mindestens 50 cm. Ein Schüppchen drauf und er spielt bei 70 cm nochmals freier auf.
Das runde und sehr schwere sowie massive Gehäuse des Hochtöners verhindert wirkungsvoll stehende Wellen (links). Jedes Chassis an der rückwärtigen Gehäuseabschlußklappe verfügt über WBT-Anschlußkklemmen für die LS-Kabel. Die Kabelzwischenstücke für die einzelnen Wandler gehören zum Lieferumfang (unten).
Wir sprechen hier von rundum guten und keineswegs selbstverständlichen Raumverhältnissen. Doch selbst in eine Ecke gepfropft, also direkt an der Wand stehend, weiß eine Uno zu überzeugen und ihre klanglichen Vorteile auszuspielen. Glücklicherweise bin ich in meinem Hörraum völlig frei von solchen Einschränkungen.
Starkes Anwinkeln ist generell Pflicht. Denn Hornsysteme haben eine kontrollierte Abstrahlcharakteristik, was bedeutet, daß der Schallpegel ab einem bestimmten Pegel außerhalb der Achse steilflankig abfällt. Avantgarde-Hörner geben 85 Prozent des Schalls direkt ab, nur etwa 15 Prozent werden reflektiert empfangen. Eine leicht weichere Zeichnung der Konturen und etwas mehr Leichtigkeit in der Abbildung lassen sich erreichen, wenn sich - den entsprechenden Hörabstand vorausgesetzt - die “gedachten”, verlängerten Chassisachsen mindestens 50 bis 60 cm vor dem Hörplatz kreuzen. Grundsätzlich verliert man dadurch etwas an Griffigkeit, doch wirkt die Musik leichter und schwebender. Außerdem verfügt die Uno über derart viel von besagter Griffigkeit, daß dieser kleine Abstrich in dieser Disziplin zugunsten der Zugewinne in anderen verschmerzbar ist.
Zuerst steht für mich im Pflichtenheft, den Baß einzustellen. Die werkseitig angegebene 11 Uhr-Stellung der Potis für die Veränderung der Trennfrequenz und des Pegels kommt meinem Hörgusto und meinem Raum nicht entgegen. Ich empfinde das Tieftonfundament als zu ausufernd und zu fett. Die richtige Abstimmung zu finden, ist jedoch auch für weniger Geübte ziemlich leicht. Für das in meinem Raum beste Resultat habe ich beispielsweise nur etwa 20 Minuten benötigt. Solche Korrekturmöglichkeiten - und das soll an dieser Stelle ausdrücklich gesagt werden - sind schlicht ein Segen für etwaige Besitze, weil sie räumliche und Anlagen bedingte Einflüsse kompensieren können und sich der Austausch nicht auf Anhieb mit den Boxen harmonierender Elektronik-Komponenten in aller Regel erübrigt.
Ich wähle eine recht hohe Trennfrequenz, da nun die Stimme von Sammy Lay ("Rush Hour Blues"; Telarc; CD-83482) homogener wirkt. Anschließend passe ich den Lautstärkepegel genau an. Es eignet sich dafür aber auch jede passable Aufnahme mit Stimme und ausreichendem Tieftonanteil. Ich fahre also die unteren Frequenzen zurück und strebe somit eine eher schlankere Abstimmung an. Die Stimme wird folglich prägnanter und schält sich mehr aus dem Geschehen nach vorne hin heraus. Sie ist jetzt ungeheuer plastisch, zum Greifen nah und erschreckend realistisch. Man hört jedes noch so feinste Detail: das Öffnen und Schließen der Lippen, das leise, kaum wahrnehmbare Zerplatzen kleinster Speichelbläschen oder die Seitwertsbewegungen des Kopfes, die sich nicht ruckartig, sondern der Melodie folgend, fließend vollziehen. Der Sänger behält seinen festen Platz im Gesamtkomplex und die Abbildung kippt nicht plötzlich nach links oder rechts, was audiophil veranlagte Menschen in helle Panik versetzen kann.
Für jemanden, der sonst kleinere Lautsprecher hört, tut sich aufgrund der lebensgroßen Abbildung einer Uno eine ganz andere audiophile Welt auf. Die von Robert Lockwood gespielte Gitarre ("I believe I'll dust my broom"; auf "Delta crossroads"; Telarc; CD-83509) vermittelt Realismus pur. Man sieht vor seinem geistigen Auge förmlich wie die Finger am Hals des Instruments umgreifen und über die Seiten gleiten.
Ich bin davon regelrecht fasziniert und wiederhole das Stück mehrere Male, weil ich mich daran gar nicht satthören kann. "Hi-Heel Sneakers" vom Pineton Perkins ("back on top"; Telarc CD-83489) verschafft eine weitere Steigerung. Die kurzen, schnell angeschlagenen Tasten des Klaviers und die unmittelbar danach einsetzende Mundharmonika schweben im Raum. Der mitreißende Rhythmus in diesem Stück überträgt sich nach wenigen Takten auf mich. Ich schließe die Augen und wippe mit dem ganzen Körper mit. Alles ist so groß, so unheimlich nah. Da Telarc-Aufnahmen sich durch einen eher weichen Klang auszeichnen, benötige ich für die Abstimmung eine weitere Einspielung. Ich habe mir bei Jörg Kessler "Norwegian Wood" von Kari Bremnes (ARS-Hamburg; Kirkelig Kulturverksted; fxcd 221) gekauft, nachdem ich bei meinem Kollegen MK die Platte mehrmals gehört habe. Ich neige dazu, eher die von ihr norwegisch gesungenen Platten zu hören. Sie ist als Künstlerin näher an den Inhalten, legt mehr Seele in die Songs, als sie es bei diesem in englischer Sprache aufgenommen Album tun kann. Trotzdem ist die Aufnahme außergewöhnlich gut und ich kann mich daran orientieren. Die Zischlaute in "to give You a song" empfinde ich nun als zu hart. Jetzt ist weiteres Herantasten gefragt. Die Enacoms, von vielen belächelt - obgleich unbestritten wirkungsvoll, nehmen den Höhen zwar einen Hauch Schärfe, aber nicht genug.
Hoch-, Mittel- und Tieftoneinheit werden fest mit einem dreiteiligen Gestänge verschraubt, wobei die Montage von Hoch- und Mitteltöner unterschiedlich hoch erfolgen kann. Somit ist eine optimale Ausrichtung auf den Hörplatz möglich (links). Zwei 270 mm-Baßchassis übernehmen die wesentliche Arbeit des aktiven Subwoofers. Pegel und Übernahmefrequenzen lassen sich über ein kleines Poti mühelos verändern (unten) Die verstellbaren Füsse am unteren Ende des dreiteiligen Gestänges sind justiebar und können bei Bedarf gegen Spikes ausgetauscht werden (unten).
Nun bin ich in der glücklichen Lage, auf eine Menge von LS-Kabeln zurückgreifen zu können. Gemeinsam mit MK hören wir die verschiedenen Produkte durch. Ich tendiere zum Schluß mehr zum SPK-5000-Silberkabel von Ortofon. Die Uno klingt damit herrlich seidig und natürlich, wenn auch etwas voller im Baß. MK entscheidet sich für das SPM-Reference von Nord-Ost (im Vertrieb von Connect-Audio). Die Abstimmung gerät damit zweifelsfrei klarer und auch schneller; die forschere Gangart entspricht sicherlich mehr der Philosophie von Avantgarde Acoustic! Das Ortofon verleiht der Musik dagegen einen etwas wärmeren, musikalischeren Charakter und lädt mehr zum Schwelgen ein. Ach, was ist es doch schön, daß es so viele unterschiedliche Geschmäcker gibt. Auch ist es nicht egal, wo Sie das Lautsprecherkabel anschließen. An den Tieftonkontakten klingt es am ausgewogendsten. Werden die Mitten zuerst angesteuert, sind diese eine kleine Spur prägnanter. Mir gefällt letztere Variante besser.
Anschließend geht die Suche nach geeigneten NF-Kabeln weiter. Auch jetzt wieder im Rennen: Ortofon 5000-SI-Silber und das SPM-Reference. Das Ergebnis zwischen MK und mir fällt erwartungsgemäß wieder gleich aus. Wer nicht so tief in die Tasche greifen möchte, für den empfehle ich das Flatline FL 212 oder das silberne Voodoo-Cable von Dope-Sounds.
Irgendwann ereilte mich ein weiterer Gedanke: was ist mit den Subwoofern? Reagieren sie auch auf andere Netzkabel? Ja, sie tun es. Die Standardstrippen weichen im Tausch den Netzkabeln von Phonosophie. Und siehe da: der Baß ist besser konturiert, fliegt mehr aus seinem Gehäuse heraus und wirkt dynamischer. Eine kleine Investition, die sich nach meiner Auffassung aber lohnt.
Ich habe bislang noch nie eine solche Menge an Kabeln gehört. Das artet richtig in Arbeit aus und die Notizzettel häufen sich. Es hat mir aber unheimlich viel Spaß gemacht, weil alle Unterschiede leicht nachvollziehbar waren. Ich werte das als großes Verdienst der Uno. Dieser Lautsprecher ist im wahrsten Sinne des Wortes eine akustische Lupe, der nichts verborgen zu bleiben scheint. Ganz großes Kompliment!
Wenn man mit den Unos streßfrei Musik hören möchte, gilt es diese Hürden zu nehmen: zugegebenermaßen kein Zuckerschlecken. Doch das Ergebnis läßt die anfänglichen Mühen schnell vergessen und ist in dieser Abstimmung mit keinem Avantgarde-Lautsprecher zu vergleichen, den ich bislang - wahrscheinlich unter nicht optimalen Bedingungen (z. B. auf Messen) - gehört habe.
Bis zu diesem Punkt war die intensive Beschäftigung mit schönen Diva alles andere als ein “one-night-stand”. Sie hat mir unmißverständlich klar gemacht, daß sie erobert werden will und ich habe diese Herausforderung angenommen. Doch nun kommt die ersehnte Kür. Musikalisch bin ich im klassischen Metier zu Hause. (Ich höre nur aus Nostalgiegründen gerne hin und wieder Blues.) Die Deutsche Harmonia Mundi hat in der Editionsreihe "Baroque Esprit" Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) eine CD gewidmet. Die Kammermusik von Carl Philipp Emanuel Bach ist phantasiebetont und poetisch. Sie ist eine ganz bedeutsame Station bei der Emanzipation der Instrumentalmusik von der vokalen. Anfänglich hatte die Ästhetik des aufgeklärten Jahrhunderts jede textlose Musik als bloßes Geräusch abgelehnt. Doch jetzt nannte man sie Tonsprache oder Klang-Rede. Weil sie mit sparsameren Mitteln arbeitete als die Vokalmusik, sei sie daher die kompliziertere Kunst. Federleicht geben die Unos die verspielte und fröhliche Barockmusik wieder. Die Flöten lösen sich aus dem Gesamtkontext heraus und übernehmen die Melodieführung. Obwohl sie von Zeit zu Zeit sehr eindringlich spielen, behalten sie einen warmen und sauberen Ton, den die Hörner unverfärbt transportieren. Die Rolle des Kontrastes, des Gegeneinander und Miteinander, das die Barockmusik seit ihren Anfängen nachdrücklich geprägt hat, übernimmt die Geige. Das Zwiegespräch der beiden Instrumente ist von Heiterkeit und Raffinement gekennzeichnet und das bringen die Lautsprecher rüber. Ihre direkte Art der Wiedergabe fordert allerdings den Hörer. Man genießt die Musik nicht nebenbei, die ganze Konzentration ist gefordert, dafür ist das Erlebnis um so intensiver. In gleichem Umfang trifft diese Erkenntnis auf die "Gitarrenmusik des Barock" (Julian Bream; BMG; VD 60620) zu. Die dieser Compact Disc zugrundeliegende Analogaufnahme wurde seinerzeit vor der Einführung von Rauschunterdrückungsverfahren eingespielt. Bei der digitalen Aufbereitung wurde versucht, das natürliche Bandrauschen weitgehend zu unterdrücken, wobei die Toningenieure auf allzu drastische Methoden verzichteten, um den vollen Frequenzumfang des Originals nicht zu beeinträchtigen. Dieses Bandrauschen entgeht der Uno nicht, ich habe es zuvor nicht in dieser Intensität wahrgenommen. Das schmälert aber keinesfalls das musikalische Vergnügen. Die einzelnen Saiten stehen im Raum, man sieht wieder, wie die Finger umgreifen, und nimmt auch das Anreißen wie das Ausschwingen deutlich wahr.
Hornsystemen sagen böse Zungen nach, sie könnten keine Räumlichkeit wiedergeben. Das kann ich nicht bestätigen. Große Orchester sind sauber in Breite und Tiefe gestaffelt. Nur wirkt hier die Abbildung realistischer, als es dem einen oder anderen vielleicht lieb sein mag. In einem Orchestergraben sind die Reihen der Musiker dicht aufgeschlossen. Da ist kein Platz von fünf Metern und mehr von Stuhl zu Stuhl vorgesehen. Ich habe an Räumlichkeit jedenfalls nichts vermißt. Die Unos bereiten mir über alle Stilrichtungen hinweg großen Spaß. Sie lassen mich an der Musik teilhaben, obgleich sie mich auch fordern. Das Erholungsmoment tausche ich ein gegen das Gefühl des unmittelbaren Dabeiseins. Jeder Lautsprecher hat natürlich seine Domänen. Bei der Uno sind das: kleinere kammermusikalische Besetzungen, Pop, Rock und das weite Feld der Jazzmusik. Selbstverständlich macht es genausoviel Freude, über sie Klassik zu hören. Doch behaupte ich, daß der Spaßfaktor in den anderen Bereichen - wenn auch musikalisch bedingt - noch höher sein kann.
Charakter: Mit Hornsystemen von Avantgarde Acoustic stoßen Hörer in eine neue, andere Dimension des Musikhörens vor. Vorab gilt es jedoch, eine Menge Feinarbeit zu leisten. Mit einfachem Aufstellen und Hören ist es nicht getan. Der aktive Baß kann genau den räumlichen Bedürfnissen angepaßt werden, das geht relativ schnell. Der Mittenbereich ist wunderbar offen und präzise. Er gehört mit zum Besten, was ich kenne. Der Hochtöner ist mir in der Werkabstimmung zu hart. Die direkte Art der Wiedergabe des Hornsystems forciert diesen Eindruck noch. Über Kabel, Enacoms und hochtondämpfende Unterlagen habe ich die Uno meinem Geschmack angepaßt. Ich gehe jedoch davon aus, daß es auch viele Hörer gibt, die den klareren, helleren Hochtonbereich bevorzugen.
Vielleicht wäre es möglich, um den vielen Vorlieben einer möglichen Klientel entgegenzukommen, über einen Kippschalter den Hochtöner um jeweils 0,5 und 1 dB absenken zu können? Allerdings sollte man diesen einen Punkt nicht überbewerten. Die Uno versprüht Dynamik; sie scheint diesbezüglich über unerschöpfliche Reserven zu verfügen. Wenn es das Musiksignal hergibt, spielt sie vorzüglich räumlich. Im Gegensatz zu diversen anderen Lautsprechern fügt sie der Musik keine zusätzlichen Rauminformationen hinzu, ist in dieser Disziplin folglich der oft wohl ehrlichere Wandler. Tatsächlich hört man in der sehr direkten Abbildung eine Vielzahl von feinsten Informationen. Avantgarde Acoustic verfolgt eine eigene Philosophie: Musik muß live sein. Der Hörer läßt sich also nicht von außen in das Geschehen hineinziehen, sondern wird mit Musik konfrontiert, die er spüren und fühlen kann. Wem der liebe Gott eine Buchhaltermentalität mit in die Wiege gelegt hat, der sollte sich besser woanders umsehen.
Fazit: Auf den Punkt gebracht, spielt die Uno spitzenmäßig. Sie läßt nicht den Wunsch aufkommen, sich mit noch größeren Lautsprechern zu beschäftigen. Die hohe Empfindlichkeit von über 100 dB macht sie zum idealen Spielgefährten von Röhrenverstärkern. Sie weiß aber sehr wohl die unterschiedlichen Qualitäten wiederzugeben. Dennoch ist das Handling mit der Elektronik recht einfach, weil sie beispielsweise ohne zu murren mit ganz preiswerten Amps (z.B. Holfi/2.500 DM) sehr gut zusammenarbeitet. Wer die Art dieser Wiedergabe mag, bekommt für (relativ preiswerte) 10.900 DM einen Superlautsprecher. Ich bin also gerne bereit, all’ meine falsch gehegten Vorurteile über Bord zu werfen und Abbitte zu leisten.
Außerdem ist mir eines recht klar geworden: Jenseits des mir bisher bekannten audiophilen Eden gibt es noch ein Eden für Hörner, das unbedingt erstrebenswert ist.RSN
Das Produkt: Uno
Preis: ab 10.900 DM
Maße: (BxTxH) 570mm x 710mm 1540mm
Belastbarkeit: 100 Watt
Empfindlichkeit: 100 dB
Impedanz: 8 Ohm
Empf. Raumgröße: ab 16 qm
Hersteller: Avantgarde Acoustic Nibelungenstraße 349 64686 Lauertal Tel: 06254-306100, Fax: 06254-306109 Internet: www.avantgarde-acoustic.de E-mail: avantgarde-acoustic@t-online.degehört mit:
Laufwerk: Fat Bob Transrotor
Arm: SME V , SME 3012 R
Tonabnehmer: DT II Special, Benz-Scheu, The Frog, DL 103
CD-Player: Electrocompaniet EMC-1
Vorstufe: Beck RV (Röhre)
Endstufe: Beck RE (Röhre)
Lautsprecher: Jupiter von CD-Konzertmöbel, Aktive Gate von Newtronics
Kabel: Fadel Art (LS), Beck, Audio Agile, Voodoo-Cable Dope Sounds, Ortofon SPK 5000 Silver, SPK 3000 Silver, v.d.Hul Hybrid Technologie III
Zubehör: CD-mat von Audio Physic, Squalan-Öl
Netzfilter: Eigenbau
Tonbasen: Eigenbau
Rack: Eigenbau