HÖRERLEBNIS 31: Technik
Lautsprechersystem: outsider team “Escape”
Ich brauche keine Millionen ... ... ich brauche nur Musik, Musik, Musik!!!
von Wolfgang Vogel
Intro
Eigentlich war an dieser Stelle, wie Sie aus meinem Interview mit dem team-Chef Andreas Franck (HE 28) vermutlich wissen, ein Bericht über das outsider-”Eta”-System vorgesehen. Doch ich habe mir erlaubt, davon abzugehen; mein persönliches Interesse erweckte nämlich - nicht zuletzt aufgrund des erschwinglicheren Preises - die erst kürzlich ins Leben gerufene Schwester namens “Escape”.
Deren Entstehung war eigentlich schon seit der ersten Realisierung des “Eta” geplant, hatte sich aber immer wieder verzögert. Umso hellhöriger wurde ich, als mir Andreas Franck am Telefon sagte, ich könne zwar einen “Eta” bekommen, er habe aber etwas noch viel Interessanteres parat. Inwiefern interessanter? Darüber mochte er am Telefon nicht reden, ich solle doch einmal vorbeikommen und es mir anhören und -sehen. Gesagt, getan: Zwei Tage später besuchte ich ihn in Gießen. Und als Ergebnis dieses Besuches hatte ich eine Woche darauf ein komplettes, schwarz lackiertes “Escape”-System in meinem Hörraum stehen.
Über den Hintergrund des Namens ‚Escape’ (= Flucht) befragt, wollte der sonst so eloquente outsider-Entwickler sich allerdings nicht so recht äußern. Ich solle mir einfach mal selbst ein paar Gedanken machen... (Das Ergebnis dieser Gehirnfolter können Sie weiter unten nach(bzw. über-)lesen). Eines aber steht fest: “outsider” und “Escape” (Außenseiter und Flucht) - irgendwie paßt’s doch hervorragend zusammen!
Anyway. Bevor ich ihnen nun einige technische Details erkläre, sollte ich vielleicht noch erklären, warum ich ständig von einem ‚System’ spreche: Wie praktisch jeder der aktuell gebauten outsider-Lautsprecher besteht die “Escape” aus einem aktiven Subwoofer und zwei Standsäulen, die hier mit je zwei 13er Görlich-Chassis sowie einem Bändchen bestückt sind. Denen, die übrigens immer noch die Nase rümpfen, sobald sie das Wort ‚Subwoofer’ hören (oder lesen), möchte ich nur eines ins Stammbuch schreiben: Hören Sie sich erst einmal ein wirklich penibel auf- und eingestelltes Lautsprecher-System dieser Art an, bevor Sie urteilen - danach reden wir weiter! So, jetzt geht’s aber los.Doch vor der Musik:
Ein bißchen Technik...
Die Trennfrequenz vom Sub mit seinem 30er Chassis zu den Hauptlautsprechern liegt regelbar zwischen 60 und 90 Hertz; der untere der beiden 13er Treiber - der zur Kompensation des axialen Schalldruckabfalls des oberen Chassis eingesetzt wird - läuft nur bis 350 Hz mit (was im von beiden Görlichs gemeinsam bearbeiteten Frequenzbereich außerdem für eine effektive Membranfläche analog zu der eines 17er Treibers sorgt), der andere übergibt bei 2500 Hz an ein Bändchensystem, dessen hoher Wirkungsgrad die Realisierung der brandneuen outsider-Lautsprecher erst ermöglichte, wie mir deren geistiger Vater glaubhaft versicherte. Daß die beiden Görlich- Chassis in jeder Säule auf verschiedene Arbeitspunkte optimiert sind, ist weiterhin ein Novum für einen Schallwandler aus diesem Hause. Selbstverständlich stammten die eingebauten 13cm-Treiber nicht aus dem kommerziellen Handel, wurde ich informiert - nur exklusive Sonderanfertigungen konnten den gestellten Anforderungen (insbesondere in puncto Wirkungsgrad) genügen!
Die Frequenzweiche trennt den Hochtöner, wie bereits angemerkt, bei 2500 Hz nach unten ab, und zwar mit 12 dB Flankensteilheit, die 13er sind jeweils mit 6 dB nach oben und 12 dB nach unten begrenzt und mit 18 dB wird schließlich der Subwoofer bei seiner Grenzfrequenz aus dem Geschehen verabschiedet. So. Das war’s in puncto Technik.Systemaufstellung
Die Aufstellung der Säulen sowie des Woofers gestaltete sich recht einfach. Auf den LS-Basen von DymAkustik (die sich auch hier als optimaler Unterbau erwiesen) plaziert, erwies sich ein Seitenabstand der ‚Satelliten’ von ca. 30-35 cm als optimal; der Abstand zur Rückwand beträgt mehr als 1 m. Der Woofer steht nahezu mittig, ein Stück nach hinten versetzt, zwischen den schlanken Lautsprecher-Skulpturen, die ihrerseits leicht nach innen eingewinkelt sind. Für ihn gilt, wie für jeden guten Sub, die Aussage: Aufstellen, Einstellen, Finger weg! (Bei Schritt 1 und 2 hilft im Falle outsider der Entwickler gern; Schritt 3 ist dann, von Umzügen einmal abgesehen, unbedingt einzuhalten - nur allzu schnell ist hier viel akustisches Unheil angerichtet...)The bug has bitten...
Soviel zum technischen Teil. Und jetzt endlich zum Musikhören. Doch erlauben Sie mir dazu noch eine Vorbemerkung. Ich habe meine Anlage in diesem Kontext um einen Bestandteil ergänzt: Die Röhrenendstufe Golden Tube SE 300 B II. Da mir der Wirkungsgrad der “Escape” (94 Dezibel bei einem Watt anliegender Leistung; in einer Entfernung von einem Meter gemessen) nämlich den Zugang zur Welt der Eintakt-Trioden versprach, wollte ich mir diese Chance nicht entgehen lassen. Schließlich war es mir mit meinen kleinen Spendor-Monitoren wegen deren bescheidenem Wirkungsgrad bislang nicht möglich, mich mit der faszinierenden Welt der Kleinleistungsröhrenendverstärker (sprich single-ended Trioden) zu beschäftigen. Nach den Erfahrungen der letzten Wochen muß ich sagen: Schade eigentlich - es ist mir da einiges entgangen. Konsequenterweise habe ich die Golden Tube (die hierzulande sonst leider nicht mehr erhältlich ist) von einem Freund, der sie mir zunächst leihweise überlassen hatte, erworben (Er selbst hat noch eine - sonst hätte ich diese wunderbare Endstufe wohl wieder hergeben müssen!). Jetzt weiß ich, was gemeint ist, wenn von der Magie der ‚Königin der Trioden’ die Rede ist...!
Der ‚300 B-Virus’ hat also letztlich auch mich erwischt...
So schön kann HiFi sein: Eine ‚Escape’-Säule in voller Pracht.
Listen to the music...
Ich war also äußerst gespannt auf die outsider/Golden Tube-Kombination. Doch zuvor sollten die “Escape”-Säulen im Team mit dem zugehörigen Monobaß an meinen mir bestens bekannten Spectrals beweisen, was sie können. Und das taten sie, soviel sei vorweggenommen, nachdrücklich. Die Signalversorgung des Subwoofers wurde dabei parallel zu den Spectral-Endstufen via y-Adapter an der Vorstufe realisiert. Dies war möglich, weil die Spectrals dank ihrer straffen Gangart auch und gerade im Baß die 13er Tiefmitteltöner jederzeit fest unter Kontrolle haben.
Also nichts wie hinein ins Vergnügen. Vergnügen? Oh ja!! Und was für eins!
Das altbekannte “Boomtown” von Greg Brown (“The Poet Game”, Red House Records RHR CD 68) etwa hatte ich noch nie so direkt, so räumlich perfekt dargestellt gehört. Und das von einem brandneuen, noch überhaupt nicht eingespielten Lautsprecher - mit einer CD, die ich bislang schon gut zu kennen glaubte! Unfaßlich!
Ebenso Chris LeDoux’ Stimme in “This Cowboys Hat” ( “best of Chris LeDoux”, Liberty Records CDP 7243-8-28458-2-9). Die Geschichte des Cowboys, der in einer Bar von ein paar Rockern dumm angepöbelt wird, es dann aber doch schafft, diese mit einer faszinierend-anrührenden (letztlich aber erfundenen) Geschichte zum Rückzug zu bewegen, ist an sich schon packend. Aber so, wie diese Schallwandler Mr. LeDoux in meinen Raum projizieren, habe ich das Stück (und ihn) noch nie erlebt. Ebenso präsent sind LeDoux und sein Kollege Garth Brooks beim einleitenden Stück der Scheibe, “Whatcha Gonna Do With A Cowboy”. Die darin ausgesprochene Warnung an eine Unbekannte, sich mit diesem Typus Mann überhaupt erst einzulassen, kommt so launig-augenzwinkernd an, wie sie wohl auch gemeint war. Beinahe hätte ich den beiden Herren doch ein Bier angeboten... Doch dann fiel mir ein, daß es ja nur eine Aufnahme war. Was soll ich also noch zur Abbildungsgenauigkeit der “Escape” weitergehend sagen? Holographisch wäre wohl das einzig richtige Wort dafür.
Dabei kommt der glücklicherweise der Spaßfaktor niemals zu kurz. Doch dazu später mehr - viiiiiiiel mehr.
Nach diesen (und etlichen weiteren) höchst musikalischen Erfahrungen würde meine erste Interpretation für die Namensgebung ‚Escape’ übrigens in etwa wie folgt lauten: Eine Flucht vor langweiligen Lautsprechern und vor mangelndem Spaß an der Musik!The heart of music, oder:
Fun, Fun, Fun!
Den zweiten, nochmals ausgiebigeren Teil der Hörerfahrungen machte ich dann mit der Golden Tube -Endstufe (ausgerüstet mit der Vaic-Endröhre 30 B, einem etwas leistungsstärkeren Derivat der 300 B; alle weiteren Röhren sind New Old Stock-Exemplare, z.B. Telefunken EL 34 mit Metallsockel). Schließlich ist das System speziell für den Einsatz mit Röhren, insbesondere Trioden, konzipiert.
Ach ja: normalerweise füge ich natürlich nur jeweils ein mir unbekanntes Gerät in meine Hörkette ein - in diesem Fall hingegen halte ich es allerdings sowohl für vertretbar als auch für notwendig. Außerdem hat’s riesigen Spaß gemacht!
Mary Chapin Carpenter ist die erste Interpretin von denen, deren Werke in der folgenden Zeit von mir so gehört wurden. Der Titel “Down at the Twist and Shout” von ihrem 1990er Album ‘Shooting Straight in the Dark’ (Columbia 467 468 2) ist schon fast ein Klassiker des New Country Genres. Die Musik swingt, rockt, treibt voran, ... kurz: Samstagabend-Fetenstimmung pur kommt auf.
Und daß Miss Carpenter ein wahres Energiebündel ist, braucht man nach dieser Darbietung nicht mehr nur zu erahnen - wer sie so gehört hat, weiß es!
Doch auch die gefühlvolle Seite der Musik liegt der “Escape” mehr als nur gut. Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür ist die wunderschöne Ballade “Thank God For The Radio” von Alan Jackson’s 1994er Scheibe “WHO I AM” (Arista 74321 21768 2). Das ganze Gefühl, das ganze Verlorensein in der Einsamkeit kommt hier derart intensiv zum Ausdruck, daß ich schon mal in meinen Gedanken versinke. Das passiert mir bei dieser Aufnahme des Öfteren. Doch seit ich Musik mittels der Golden Tube / outsider - Kombination erlebe, versinke ich meist in der Musik und den (gesungenen) Gedanken von Alan J. - derart leicht war es mir noch nie gefallen, mich in das musikalische Geschehen hineinzuversetzen.
“Was ist da passiert?”, fragte ich mich, nachdem dieses Phänomen zum erstenmal aufgetreten war. Also mußte eine andere CD zur Prüfung des ‚Emotionsfaktors’ her.
Und tatsächlich: Die Faszination der weiblichen Stimme erfaßt mich wieder einmal voll, als ich Jo Dee Messina’s 1998 erschienenen Longplayer “I’m Alright” (CURB Records D2-77904) in die Schublade des Lambda lege und die Über-Ballade “Even God Must Get The Blues” starte. Jedesmal aufs neue packt mich die Tiefe der Traurigkeit, wie sie Miss Messina hier zu vermitteln versteht. Doch jetzt kommt eine Dimension der Intensität hinzu, die ich mir zwar stets zu spüren erhofft hatte, die es mir zu erreichen aber noch nicht vergönnt war - bis zu diesem Augenblick. Geradezu gespenstisch real erscheint Jo Dee in meinem Musikraum, um ihrer Bedrückung ob diverser Mißstände Ausdruck zu verleihen.
Einfach faszinierend! Doch vielleicht liegt es ja an speziell dieser Scheibe?
Also greife ich erneut zu Chely Wright’s 1994er Album “woman in the moon” (Polydor 314-523 225-2). Bei “Till All Her Tears Are Dry” ebenso wie in “The Last Supper” ist es hier der Sängerin hervorragend gelungen, Stimmung und emotionale Tiefe zu vermitteln. Ich liebe diese CD geradezu; da ich sie inzwischen sehr oft gehört habe, kenne ich die darauf enthaltenen Lieder sozusagen aus dem ‚ff’. Berührt haben mich diese Werke eigentlich jedesmal, wenn ich sie gehört habe. Aber so sehr gepackt wie in den folgenden Minuten hatte es mich bislang noch nicht - diese erweiterte Dimension des völligen Eintauchens in die Musik war mir bis dato - zumindest in solcher Intensität wie Selbstverständlichkeit - unbekannt.
Und da ich ob der faszinierenden Wiedergabe via “Escape” gerade das war, was ich selten bin, nämlich sprachlos, legte ich als nächstes - quasi zum Aufwachen aus der Trance - Lee Roy Parnell’s 1990er Erstling (schlicht “Lee Roy Parnell” betitelt, ARISTA ARCD-8625) ein. Mit “Oughta Be A Law” lassen sich nämlich ganz hervorragend die Gehörgänge ‚durchpusten’. So heftig hat es allerdings noch nie gefetzt wie gerade jetzt...!
Doch vielleicht hat die bislang so überragende Vorstellung der “Escape” ja auch etwas mit meiner bevorzugten Musikrichtung zu tun. Um jeglichen Argwohn dieser Art zu überprüfen und entweder zu verifizieren oder zu entkräften, wende ich mich also weg vom New Country diversen anderen Musikgattungen zu.
So enthält etwa der (im übrigen bei TACET gemasterte) Sampler “Folklore der Anden” (1996, BELL RECORDS BLR 89 024) einige wunderschöne Tracks, von denen mich insbesondere der “Pescador” (übersetzt: “Der Fischer”) der Gruppe INTI PUNCHAI immer wieder sehr anspricht. Die Impulsivität der hier musizierenden natürlichen Instrumente mit ihrer ungekünstelten Klangausbreitung zieht mich mittels der “Escape” noch mehr in den Bann faszinierender Klangwelten, als dies ohnehin der Fall war. Man spürt förmlich Wind und Wellen, während das Boot hinausfährt zum Fischfang... Atmosphärisch wunderschön!
Ebenso gelungen finde ich PADDY GOES TO HOLYHEAD’s Debüt-Scheibe “Here’s To The People” (1994, Holyhead Records 280362 PGTH01). Aufnahmeseitig eher durchschnittlich, überzeugen mich musikalisch insbesondere “The Titanic” (Für mich der beste Song zum Thema, den ich kenne - Celine Dion zum Trotz), “Leaving Of Liverpool” und “Come Out Ye Black & Tans”. Sobald meine Stimmung einmal einer Aufmunterung bedarf, lege ich diese Scheibe auf. Meist dauert es dann nicht lange, und meine Laune steigt. Doch der 300 B / “Escape” - Kombination gelingt noch weit mehr. Ich fühle mich augenblicklich in einen kleinen Pub auf der grünen Insel versetzt, die Band spielt live, das Guinness schmeckt, ... Was will ich mehr?
Auch der vielschichtige Heavy-Rock von Queensryche’s “Operation: mindcrime” (1988, EMI Manhattan Records CDP-7-48640-2) wird so exakt-präzise aufgelöst und doch musikalisch homogen dargestellt, daß manche Feinheit erst jetzt, mit der “Escape”, richtig ins Bild paßt - wie das berühmte Puzzlestück, das plötzlich an der richtigen Stelle eingefügt wird. Im übrigen empfehle ich diese CD besonders jenen, die immer noch glauben, es gebe keine komplexe Heavy-Metal-Musik. Aber seien Sie gewarnt: Mangelndes Auflösungsvermögen der Anlage, insbesondere der Lautsprecher, resultieren in einem eher undifferenzierten Klangbrei!
Es läßt sich also klar feststellen: Die “Escape” rocken, daß es eine wahre Freude ist. Damit sei allerdings nicht gesagt, daß schlechte Aufnahmen plötzlich gut geklungen hätten. O nein. Alle Sünden der Toningenieure/Aufnahmetechniker werden bis ins letzte bittere Detail offengelegt. Dennoch scheinen mir diese Werke via “Escape” erträglicher zu sein, als ich es bis dato gewohnt war. Vielleicht liegt es wirklich an der absolut bruchlosen, uneingeschränkten Homogenität dieses Wandlersystems, daß zwar alles gezeigt, aber nicht gnadenlos seziert wird. Die Musik, wenn auch schlecht aufgenommen, bleibt immer das bestimmende Element; Schwächen drängen sich nicht bis zum Unerträglichen auf. Sie wissen schon: Die Sache mit dem halbvollen bzw. halbleeren Glas...
Ein gutes Beispiel dafür ist das nur mit dem Bandnamen betitelte Erstlingswerk von VAN HALEN (1978, Warner Bros. 7599-27320-2). Die Aufnahmequalität ist, vorsichtig ausgedrückt, nicht gerade berauschend. Dafür waren Eddie van Halen und seine Mitstreiter (u.a. David Lee Roth) später, zumindest meiner Meinung nach, nie wieder so ideenreich und spielfreudig wie bei ihrer Version von “You Really Got Me” oder dem “Ice Cream Man”. Das Engagement, mit dem alle Beteiligten damals zu Werke gingen, ist aus jeder Note herauszuhören. Soviel Dampf, soviel Druck und Power gibt’s nicht jeden Tag zu erleben! Die “Escape” versetzen mich direkt vor die Bühne, auf der David Lee und Eddie es mit ihren Kumpanen so richtig krachen lassen.
A propos krachen lassen: Pete Townshend’s “White City (A Novel)” (1985, ATCO 2292-52392-2) enthält mit “Give Blood” und “Face The Face” zwei absolute Kracher der Extraklasse. Insbesondere letzterer Titel ist eines meiner Lieblingsstücke, wenn es um knallig-fetzigen Rock mit eingängig-einprägsamer Hookline und trocken-hartem Schlagzeugrythmus geht. Aber was geschehen sollte, als ich die CD in das Laufwerk legte und startete, hatte ich denn doch nicht erwartet. Vielleicht hätte ich es erwarten sollen; aber was die “Escape” hier in meinem kleinen Raum entfesselten, war ein schier unfaßliches Paradebeispiel für explosive Dynamik - und nichts weniger! WHOW!!!
Der Subwoofer erlaubt eine feinfühlige Anpassung des Baßbereiches an die räumlichen Gegebenheiten - und Druck ohne Ende...
Zur Abkühlung brauchte ich daraufhin etwas locker-flockig-beschwingte Töne. Zur Gute-Laune-Fraktion gehören mit absoluter Sicherheit JIVE BUNNY AND THE MASTERMIXERS. Deren Album “...THE BEST!!” (1994, CONTROL CON 4078-2) sorgt mit Titeln wie “That’s What I Like”, “Swing The Mood” oder “Let’s Swing Again” bei mir immer wieder für viel Spaß. Wer bei dieser explosiv-mitreißende Verarbeitung von Swing- und Rock ‘n’ Roll-Titeln zu (absolut fetentauglichen) Medleys ruhig im Sessel sitzen bleiben kann, muß schon mehr als abgebrüht sein...
Ähnlich einzustufen, wenn auch aus einer ganz anderen musikalischen Ecke kommend: LAID BACK. Auf “LAIDEST GREATEST” (1995, Ariola 74321 28070 2) finden sich u.a. der “Sunshine Reggae” und der “Bakerman”. Der Raggae-Pop der Dänen ist zwar etwas zu hell klingend aufgenommen, aber wen stört’s?? Der Raum ist recht groß geraten und die Stimmen sind nicht optimal lokalisierbar, aber da dies aufnahmebedingt ist, soll es uns an dieser Stelle nicht weiter interessieren. Aber die positiven ‚Vibes’ (= Vibrations), die hier ‘rüberkommen, die muß ein guter Schallwandler vermitteln können. Genau das gelingt der “Escape” in so formidabler Manier, daß ich nur so gestaunt habe.
Sicher werden sich die Klassik-Hörer unter uns schon gefragt haben, ob das bislang Geschriebene auch bei klassischer Musik zutrifft. Ich kann Sie beruhigen: uneingeschränkt JA!
Gemeinhin gelten Klavieraufnahmen als schwierigster Prüfstein für Lautsprecher, stellen sie doch höchste Anforderungen an Auflösungsvermögen, Homogenität und Schnelligkeit der jeweiligen Konstruktion. Folglich habe ich das Klavierkonzert No.2 von Chopin in der Aufnahme mit Ivo Pogorelich und dem Chicago Symphony Orchestra unter der Leitung von Claudio Abbado (1983, DG 410 507-2) in das Laufwerk gelegt. Der expressive, ja, manchmal fast aggressive Stil des Virtuosen ist klar erkennbar, Töne verschwimmen nicht ineinander, wo es nicht sein soll, jeder Tastenanschlag ist präzise erkennbar; Kenner wären sicher auch in der Lage, den Hersteller oder gar das Modell einwandfrei zu identifizieren. Ich kann es nicht, da ich eben kein Fachmann bin. Daß aber die Musik unglaublich homogen und zugleich emotional packend vermittelt wird, das kann ich mit Sicherheit sagen. Dabei wird auch das Orchester wunderbar differenziert und plastisch dargestellt.
Die beispielsweise von den Tempi her völlig andere Interpretation des selben Werkes von Maria Joao Pires mit dem Royal Philharmonic Orchestra mit André Previn (1994, DG 31 573 9) auf dem gleichen Label ist dabei selbst für einen Laien wie mich mühelos von der vorgenannten Einspielung zu unterscheiden. Auch wenn ich persönlich die Pogorelich-Interpretation bevorzuge, so kann ich es doch gut verstehen, wenn andere Hörer die (ruhigere) Pires-Variante angenehmer finden. Hier wird mittels der “Escape” weder die eine Aufnahme der anderen gleichgemacht noch werden irgendwelche Details extrem plakativ dargestellt. Dieses System zeigt ganz einfach nur exakt auf, was auf der jeweiligen Aufnahme drauf ist. Sonst nichts. So einfach ist das!
Aber auch komplexe Orchesterwerke wie die Sinfonien von Beethoven (z.B. in der Aufnahme mit Leibowitz, Reissue der Readers Digest-Kassette, 1993, Analogue Audio Association) bereiten der “Escape” keinerlei Schwierigkeiten. Im Gegenteil, mit leichter Hand entwirrt sie auch schwierigste Tonverflechtungen dieser wunderbaren Meisterwerke (allein schon, wenn ich an die gemeinhin weniger beachtete “Sechste” oder auch die “Siebte” denke...), läßt alles völlig selbstverständlich erscheinen und plaziert jeden Musiker genau dorthin, wo er hingehört. Die Selbstverständlichkeit, mit der dies geschieht, ist schon faszinierend. Angesteuert, wohlgemerkt, von einer Eintakt-Triode. Wen kümmern da noch irgendwelche Wattangaben? Mich sicher nicht!Outro
Sollte ich bislang vergessen haben, die absolut glaubhafte Größendarstellung der “Escape” zu erwähnen? Dann kann das nur daran liegen, daß sie so selbstverständlich die räumlichen Vehältnisse (und somit auch die Größe von Sängern/Sängerinnen und Instrumenten) darstellt, daß ich gar nicht auf die Idee verfallen bin, darauf bewußt zu achten.
Auch in einem anderen Sektor, nämlich lautstärkemäßig, hatte ich auch bei erhöhtem Pegel stets das Gefühl, die Golden Tube / outsider - Kombination könne jederzeit noch etwas draufpacken, sollte das nötig sein. Unverzerrt, wohlgemerkt! Doch die ansatzlose Schnelligkeit des “Escape” ist auch bei sehr leisen Lautstärken schon jederzeit hör- und spürbar. Meist habe ich allerdings mit durchaus zivilen, wenn auch nicht gerade besonders leisen Pegeln die Musik genossen.
Welcher Art der Tonträger ist, ist dabei völlig nebensächlich; selbstverständlich können die beliebten Vergleiche CD/LP (beispielsweise anhand des Clapton-”Unplugged”-Albums) mit der “Escape” durchgeführt werden. Vorhandene Unterschiede werden unmißverständlich aufgezeigt - aber es macht weitaus mehr Spaß, mit diesen Lautsprechern auf musikalische Entdeckungsreise zu gehen.
Dabei besitzen insbesondere weibliche Stimmen eine inhärente Strahlkraft, eine inkrementelle Illumination der expressiv-nuancierten Facetten der vokalen Fähigkeiten der jeweiligen Künstlerin, wie ich sie bislang noch nicht erlebt hatte. Dies wird allerdings nicht etwa erkauft mit einen ‚überzuckerten’ Klangbild, wie man es hätte befürchten können; im Gegenteil, es wird einfach jedes noch so kleine Detail präzise dargestellt und derart selbstverständlich in ein extrem homogenes Ganzes integriert, daß der Gedanke an Ungenauigkeiten oder einen zu langsamen Tonaufbau von Seiten des Lautsprechers geradezu absurd erscheint, ja, sich förmlich verbietet. Das Fehlen jeglicher Lästigkeit ist ein Hauptcharakteristikum dieses Ausnahmeschallwandlers, die enorme Schnelligkeit im Einschwing- wie im Ausschwingverhalten stellt ein weiteres hervorstechendes Merkmal dar.
Aber was schreibe ich denn da ? Das Gesamtkonzept der “Escape” ist derart ausgewogen und stimmig, daß es eigentlich keinen Sinn macht, einzelne Charakteristika besonders hervorzuheben. Meine Empfehlung an zukünftige Besitzer wäre es - angesichts der nochmals besseren klanglichen Ergebnisse - sich auf jeden Fall einmal mit dem Thema ‚SET’ (= Single Ended Triode) zu beschäftigen, sofern sie dies nicht schon ohnehin tun. Immerhin reicht deren Spektrum von 845 und 211 bis hin zu 2A3 oder gar AD1...
Bevor ich nun endgültig zum Resümee komme, an dieser Stelle noch ein paar Gedanken zur Benennung dieses Lautsprechersystems. Angesichts der besonderen Triodeneignung der “Escape” könnte auch eine Flucht vor mangelndem Wirkungsgrad, vor Röhren(-verstärker-)inkompatibilität und das damit verbundene Eintauchen in eine Welt des Genießens der Musik gemeint sein; aber auf meine diesbezüglichen Fragen schwieg der Hersteller hartnäckig...
Angesichts der in dieser Branche für erstklassige Lautsprecherkonstruktionen inzwischen üblichen Künstlerhonorare könnte allerdings auch eine Flucht des Besitzers vor der schier endlosen Preisspirale der Anlaß für die Wahl eines so provokanten Namens gewesen sein. Ein musikalisches Ausrufezeichen, eine Herausforderung, eine Art Asterix im von Römern (hier: teuren und superteuren Schallwandlern) umzingelten gallischen Dorf, das alles stellt dieses System dar. Denn obgleich der Obulus zum Erwerb einer “Escape” sicher nicht gerade gering ist (immerhin werden hier 15.000 DM abgerufen), kann ich ihn in der Relation nur als hundertprozentig angemessen und absolut fair betrachten.
Was ich persönlich nun angesichts von Lautsprechern, die ein Mehrfaches davon kosten (bis hin zu Preisregionen, die ich nur noch als absurd bezeichnen kann!), aber nicht mehr leisten, denke, läßt sich, provokant ausgedrückt, auf nur ein Wort komprimieren: Warum???
Wohin hat uns der HiFi-technische Overkill der letzten Jahre denn schlußendlich gebracht? Immer teurer, immer größer, immer besser? Von wegen! Dieser Wahn der Gigantomanie hat die Szene schließlich genau dahin gebracht, wo sie sich jetzt befindet: in die Bredouille nämlich. In Gesprächen höre ich immer wieder: “Ich habe einfach die Nase voll von diesem Technik- Kram, das interessiert mich nicht mehr!”. Das kommt sicher daher, daß der Eindruck erweckt wird, es gebe alle paar Wochen eine akustische Sensation oder gar Revolution - nur daß diese dann doch nicht stattfindet! Ich selbst werde das Gefühl auch nicht los, einer nicht enden wollenden verbalen Inflation ausgesetzt zu sein. Ja, wer braucht denn schon eine “Anlage des Jahres”, “Anlage des Jahrzehnts” oder ähnliche, garantiert superteure Peinlichkeiten? Ich jedenfalls nicht! Gut Musik hören kann man auch unterhalb des maximal Machbaren - ein gutes Gerät wird doch nicht schlechter, nur weil’s mal wieder was Neues gibt!Quo vadis, High End ??
Die Faszination der Technik, ja, gut, auch ich liebe High End; aber viel zu oft erlebe ich es inzwischen, daß ich mich frage: wo bleibt denn da die Musik? Wie würde Freund Obelix in diesem Zusammenhang sicher feststellen: Die spinnen, die HiFi-Freaks! Und er hat (leider!) recht!
Vielleicht glauben Sie jetzt, daß ICH spinne. Möglich. Sorry. Aber angesichts eines jener extrem seltenen musikalischen Juwelen, die einfach in absolut allen Kriterien überzeugen können, war ich regelrecht gezwungen, mir (und Ihnen (!)) diese elementar-grundlegenden Gedanken wieder einmal klar vor Augen zu führen. Doch nun genug davon - eigentlich will ich Ihnen die Freude an der Musik näherbringen; ich komme daher jetzt zum Gegenstand dieses Berichts zurück und endlich zum ...Fazit
Eine solche Lebendigkeit und Plastizität, eine derart intensiv-farbstarke Darstellung aller musikalischen Ereignisse ohne den geringsten Hauch von Lästigkeit, eine solche Durchzeichnung selbst kleinster Details - alles das verbunden mit einer fulminant-explosiven Dynamik und einem Baßfundament, das aber auch gar keine Wünsche mehr offenläßt, machte mich zunächst sprachlos. Diese Selbstverständlichkeit der Wiedergabe, dieses unvermittelte und keinen Widerspruch zulassende “So und nicht anders isses!” läßt mir einfach keine Kritikmöglichkeit offen. Diese Kombination klingt einfach grandios, schlichtweg gnadenlos gut! Der in der amerikanischen Presse (bzw. der dortigen Werbung) einmal verwendete Ausdruck ‚2C3D’ (= to see three d(imensional)) beschreibt meinen klanglichen Eindruck vielleicht am besten. Die Qualität der Verarbeitung verrät viel Liebe zum Detail und ist über jeden Zweifel erhaben, ebenso die verwendeten Bauteile, die offensichtlich penibel ausgesucht wurden. Auch das Versprechen eines hohen Wirkungsgrades und der damit verbundenen Eignung für die Verwendung mit leistungsschwachen Eintakt-Röhrenendstufen wird zu 100 % eingehalten. Und optisch ist das Ganze auch noch phantastisch gelungen...- kurz: OBERAFFENGEIL!!! [Entschuldigung, aber der Ausdruck mußte sein, da er der einzige Terminus ist, der das Aussehen des Trios korrekt zu beschreiben erlaubt!!!]
Auch auf die Gefahr hin, jetzt pathetisch zu klingen: In Kombination mit der Golden Tube 300 B-Endstufe stellt das “Escape”-System nicht mehr und nicht weniger als meinen persönlichen Traum-Schallwandler dar. Das Fazit all’ meiner Erfahrungen damit kann nur lauten: Diesen Lautsprecher werde ich behalten!
Jedenfalls habe ich Andreas Franck inzwischen darüber informiert, daß ich die bei mir aufgestellte “Escape” selbst unter Androhung von Gewalt nicht wieder herausrücken werde - und daß er folglich die Rechnung schon mal schreiben kann. Seine Antwort wird jene, die ihn (und/oder mein Interview mit ihm (Heft 28)) kennen, nicht weiter verwundern: “Damit hab’ ich schon gerechnet, ich weiß schließlich, daß ich mit meinem team da einen Weltklasselautsprecher gebaut habe!”, lautete der knappe Kommentar. DAS nenne ich Selbstbewußtsein - aber: Das Escape-System untermauert dieses vollmundige Statement täglich auf’s Neue in meinem Musikhörraum...!WV
P.S.: Ein weiteres Lautsprechersystem namens “Experience”, das in der Preisklasse um die 10.000,- DM angesiedelt sein soll, ist ebenfalls in Arbeit...
Produkt: Lautsprechersystem outsider Escape
Abmessungen Säulen: 100,5 cm x 22 cm x 33 cm (HxBxT)
Abmessungen Subwoofer: 55 cm x 40 cm x 40 cm (HxBxT)
Preis: ab 15.000,- DM, beliebige Farbvarianten gegen Aufpreis
Hersteller: outsider team, Im Hopfengarten 19, 35394 Gießen, Tel.: 0641/44757, Mobil-Tel.: 0172/6763822gehört mit:
Raum: Grundfläche 18 qm (5,50 m Länge, 3,30 m Breite, nichtparallele Längswände, Teppichboden)
Plattenspielerlaufwerke: Luxman PD 310, Linn LP-12
Tonarm/Tonabnehmer: Linn Ittok LVIII/Lyra Lydian
CD-Laufwerke: PS Audio Lambda, Goldmund Mimesis 39
Digital Link / Interface: Wadia DIGILINK 40
DA-Wandler: Wadia 64/4
Vorverstärker: Spectral DMC 20 MK II, Spectral DMC 6
Endverstärker: Golden Tube SE 300B II, Spectral DMA-50
Kabel: Magis, MIT MI-330 (alt, ohne Terminator), Monster Cable, No Limits, Supra, SunWire, Wadia ST-optisch
Zubehör: Netzkabel von Ensemble, SAC und XLO; Netzleiste von Audio Agile; Omtec Power Controller; Spikes von Etalon und Oehlbach; Rack Canorus 1 von Pro String mit quarzsand-/bleischrotgefüllten Böden; LS-Basen DymAkustik Maquie