HÖRERLEBNIS 31: Technik


Gruensch Audiotechnik Stereoendstufe “CSE”

Und es gibt sie doch noch, die Innovationen im Verstärkerbau!

von Uwe Ahlborn

Nach dieser Überschrift sind alle an der Verstärkertechnik interessierten Leser bestimmt bei der Neugier gepackt. Aber immer der Reihe nach, denn erst einmal soll es einige wenige Vorbemerkungen geben. Eigentlich hat der Redaktionskollege Rolf Linden-Brüning einen neuen CD-Spieler von einem Freund empfohlen bekommen und ist darum mit dem Hersteller Gruensch in Verbindung getreten. Neben dem besagtem Player kamen Vater und Sohn Gruensch auch mit einer Stereoendstufe in Kassel vorbei. Bei der Präsentation ihrer Elektronik war ich sofort von dem Verstärker begeistert, wollte ihn aber erst in meiner Anlage hören, bevor ich zu einer vollständigen Einschätzung des Leistungspotentials kommen konnte. Also gesagt und getan. Seit über vierzehn Tagen spielt die Endstufe in meiner Anlage und hat doch einige meiner Besucher während der Feiertage stark verblüfft. Mich im übrigen auch - und je länger die Darbietungen andauerten, desto mehr wuchs meinen Achtung vor der Musikwiedergabe dieser Elektronik.
Jetzt komme ich zu einigen Informationen, die ich vom Hersteller bezogen habe und die den Aufwand verdeutlichen sollen, der bei der Entwicklung und Herstellung dieses Gerätes getrieben wurde. Diese sollen hauptsächlich den technisch bewanderteren Lesern Hinweise geben. Aber ich bitte um Nachsicht, denn ich bin technischer Laie und ausführlichste Informationen bekommen alle wirklich daran Interessierten vom Hersteller. Das Hervorstechendste an dieser Endstufe ist ihre sehr aufwendige Stromversorgung. Das Netzteil besteht aus einem sehr gutem Netzfilter, einem 800VA-Ringkerntransformator, der voll vergossen und mit einem Temperaturschalter versehen ist, einem Gleichrichter, 12 Pulvereisen-Ringkerndrosseln und Langlebensdauerkondensatoren mit einer Gesamtkapazität von 120000µF/100V. Es ist als Drossel-Netzteil in sekundärseitiger Doppelmonobauweise aufgebaut und hat eine Einschaltautomatik, die das Netzteil sanft einschaltet und Einschaltstomstöße verhindert. Dieses Netzteil soll sehr steilflankige Stromimpulse verhindern helfen, die sehr hohe und harte Klirrspannungen erzeugen können, die wiederum über die Netzspannung in andere Geräte der Anlage gelangen können und dann zu einem hartem und unnatürlichem Klangbild führen. Gleichzeitig wirken die Leistungs-Pulvereisen-Ringkerndrosseln als Netzfilter und zwar in einem Frequenzbereich von unter 50 Hz bis weit über 100 kHz. Den anschließenden Frequenzbereich bis 100 MHz deckt das geschirmte HF-Netzeingangsfilter ab, in dem auch die Sicherungen und der Netzschalter integriert sind. Die eigentlichen Verstärker sind als MOS-FET-Verstärker mit 10 Endtransistoren aufgebaut, wobei auch der Eingangsdifferenzverstärker in MOS-FET-Technik ausgeführt ist. Durch das neuartige Schaltungskonzept, bei dem die Endtransistoren ohne zusätzliche Treiberstufe gesteuert werden, entspricht das Konzept weitestgehend dem eines Röhrenverstärkers. Dieses Schaltungskonzept soll die klanglichen Vorteile eines Röhrenverstärkers mit den Vorteilen eines Transistorverstärkers (wie Schnelligkeit, große Frequenzbandbreite und hohe Stromlieferfähigkeit) in sich vereinen. Eine weitere Besonderheit des Verstärkers ist seine enorme Stabilität sowie die Möglichkeit, durch eine Meßleitung im Lautsprecherkabel das Musiksignal direkt an den Lautsprecherklemmen zu messen und mit dem Eingangssignal zu vergleichen. Der Verstärker korrigiert dann genau so, daß direkt an den Lautsprecherklemmen nicht nur das originale unverfälschte Signal, sondern auch ein hoher und linearer Dämpfungsfaktor ansteht. Nach diesen Aussagen von Herrn Gruensch, die mir den Eindruck verschaffen, daß hier jemand sein Handwerk versteht, können Sie, lieber Leser, vielleicht verstehen, weshalb ich in der Überschrift von Innovation geredet habe. Für einen technischen Laien wie mich, ist dieses Verstärkerkonzept ein im Prinzip aktives System von Lautsprecher und Verstärker. Aber bevor wir zur klanglichen Beschreibung kommen, sollen Sie noch einige einfache, aber nicht minder beeindruckende allgemeine Informationen zum Gruensch CSE bekommen. Der Verstärker ist mit knapp 47cm Breite, 50cm Tiefe und 25cm Höhe nicht gerade zierlich. Auch das Nettogewicht von ca. 40 kg macht den Sinn von vier Griffen deutlich, die ihn aber optisch eher bieder aussehen lassen. Der weitere Sinn der vier Griffe liegt darin, bei möglichen Transporten auf einen guten Freund zurückzugreifen, da sonst die Bandscheibe stark gefährdet ist. Der Verstärker ist sehr wertig verarbeitet und sein Gehäuse besteht aus dicken Aluminiumteilen, der abschraubbare Deckel ist zusätzlich bedämpft. Als Eingänge stehen dem Besitzer sowohl symmetrische als auch asymmetrische Anschlüsse zur Verfügung. Ich habe ausschließlich über die symmetrischen Eingänge gehört. Auf der Ausgangsseite sind wieder einige Besonderheiten zu beachten, diese passen aber in das professionelle Konzept des Verstärkers und sind nur als zwingend logisch zu bewerten. Der Verstärker verfügt nur über Speakon-Buchsen im Ausgang. Diese sind einmal in der normalen HiFi-Ausführung und einmal in der Profiausführung vorhanden. Die mitgelieferten LS-Kabel von Herrn Gruensch waren mit diesen Profiverbindern ausgestattet, um darin die zusätzliche Meßleitung zu integrieren. An Leistung stellt der Verstärker 2x400 Watt an 4 Ohm zur Verfügung, die mögliche Impulsleistung ist mit 2x780 Watt an 4 Ohm mehr als ausreichend. Eigentlich hat dieses überragende Gerät die Erwähnung dieser Angaben aber nicht nötig und man kann es mit der Marke “Rolls-Royce” halten, die bei Leistungsangaben nur das Wort “Ausreichend” in ihren Werbeunterlagen verwendet. Das gebotene Gesamtkonzept dieses Verstärkers ist schlüssig und vielleicht auch bei der Verwendung der Ausgangsbuchsen richtungweisend. Denn was die Kontaktsicherheit angeht, ist hier eines gegeben, was alle CE-Normen fordern: Die verwandten Buchsen sind über jeden Zweifel erhaben. Mehr noch: ich bin davon überzeugt, daß in Zukunft noch mehr Hersteller auf die im harten Profieinsatz bewährten Systeme zurückgreifen werden. Wer noch weitere Informationen über diesen Verstärker benötigt, muß sich an den Hersteller wenden, denn für meine Verhältnisse habe ich mich schon sehr ausführlich damit befaßt, aber dieser faszinierende Verstärker rechtfertigt diese sehr intensive Auseinandersetzung. Interessenten, die einen neuen Verstärker in der nächsten Zeit erwerben wollen, sollten unbedingt den Gruensch CSE vor einer Entscheidung gehört haben.

Der gute Eindruck des äußeren Erscheinungsbildes setzt sich innen nahtlos fort. Ein Aufbau wie aus dem Bilderbuch, klanglich und optisch auf höchstem Niveau.

 

 

 

 

Jetzt möchte ich zu den gemachten Hörerfahrungen kommen. Bei den zu beschreibenden Geräten nehme ich mir immer einige Livemitschnitte von Konzerten vor. Diesmal waren das insbesondere die Aufnahmen von Eric Burdon, Montezuma’s Revenge und dem Jeff Hamilton Trio. Bei diesen Aufnahmen hatte man wirklich das Gefühl, dem Konzert beizuwohnen. Die Darstellung zwischen Band und Publikum war sehr natürlich, die Regungen im und aus dem Publikum waren sehr realistisch. Die Dynamik, gerade bei dem Bass-Solo von Robbie Burns oder bei Jeff Hamiltons Schlagzeugsolo waren schlicht beeindruckend. Diese Nuancen, die sich im Tiefton- und Grundtonbereich auftun, sind einfach aller Ehren wert. Aus dieser Eigenschaft ergibt sich eine musikalische Darstellung, die die Musik als Ganzes aufblühen läßt. Die räumliche Abbildung ist in der Darstellung der sogenannten imaginären Bühne sehr gut, aber es ist bei weniger gelungenen Mitschnitten festzustellen, daß dieser Verstärker gnadenlos ehrlich ist. Dieses bedeutet, daß schlechte Aufnahmen auch schlecht wiedergegeben werden. Es wird rein gar nichts beschönigt. Aber die hervorragenden Fähigkeiten der CSE erstrecken sich nicht nur auf den Tiefton- und Grundtonbereich, sondern auch auf eine sehr natürliche Mitten- und Hochtonwiedergabe. Zum Beispiel hat man bei der “Best of Live” von Montezuma’s Revenge das Gefühl, den Musikern auf die Stimmbänder schauen zu können. Die kleinsten Dynamiksprünge und Verästelungen bei diese Einspielung werden offenbart. Man hat beim Musikhören immer den Eindruck, als würde der Verstärker schon immer reagiert haben, bevor ihm die Leistung überhaupt abverlangt wird. Diese Darstellung schafft eine Selbstverständlichkeit in der Reproduktion, die mir selbst bei vielfach teureren Geräten nur teilweise offenbar wurde. Es überkommt einen beim Hören manchmal der Vergleich vom Hasen und Igel: wenn das Musiksignal denkt, es hätte das Rennen gegen den Verstärker gewonnen, sagt der nur trocken “Ich bin aber schon lange am Ziel!”. Bei dem Durchhören von einigen LP’s bin ich nachhaltig von der Qualität meiner Phono-Vorstufe beeindruckt. Sie hat via Gruensch-Endstufe Details von alten Scheiben preisgegeben, von denen ich bis jetzt noch gar nichts wußte. Die Aufnahmen von Frank Zappa :”Live in New York” ist sicher kein audiophiles Highlight, aber mit unheimlicher musikalischer Vielfalt gesegnet. Viele Perkussionsinstrumente, elektronische und natürliche Instrumente und Stimmen stellen Höchstanforderungen an jede Anlage. Stimmt hier die Kette nicht, verkommt die Aufnahme zum Klangbrei; aber die CSE gibt sich nicht die geringste Blöße, es kommt alles an Atmosphäre, Druck und musikalischer Vielfalt eindrucksvoll aus den Lautsprechern. Falls auch Sie im Besitz von Frank Zappa’s letzten Werk “The Yellow Shark” sind und das Ensemble Modern in seiner ganzen musikalischen Breite und Dynamik genießen wollen, so ist die CSE einer der besten Spielpartner für dieses Musikereignis. Die grobdynamischen Fähigkeiten habe ich auch noch mit Platten von den “Red Hot Chili Peppers”, “JTB” und “Massive Attack” ausgelotet, sie waren von allererster Güte und die Musik wurde immer zum Genuß. Aber auch Feingeister werden von diesem Verstärker aufs Beste bedient. Ob nun Opern von Mozart, ja, ich höre auch sowas, Terry Callier, akustische Gitarrenmusik oder klassische Triobesetzungen sich auf dem Plattenteller oder im CD-Laufwerk drehten, es war immer eine mustergültige Wiedergabe zu erleben. Um jetzt nicht in weiteren Superlativen einen neuen Eindruck an den nächsten zu reihen, möchten ich die klanglichen Beschreibungen abbrechen. Nur soviel möchte ich Ihnen noch mitteilen, in den Tagen dieses Hörberichtes habe ich meine Plattensammlung mit außerordentlichem Vergnügen förmlich neu entdeckt. Diese Aussage lasse ich einmal im Raum stehen und kann Ihnen nur wünschen, auch einmal einen so guten Verstärker in Ihrer eigenen Anlage hören zu können.

Einer der wesentlichen Faktoren für guten Klang ist das großzügig dimensionierte Drosselnetzteil in der Gruensch-Endstufe.
Auch bei diesem Bericht will ich mich nicht um die Bewertung von Preis zu Gebotenem drücken. Aber diesmal fällt es mir besonders leicht, denn die Gruensch CSE ist jede Mark oder Euro wert, den sie kostet. Mit solchen Aussagen tue ich mich im allgemeinen sehr schwer; doch ich kann nur sagen, daß ich schon um ein vielfaches teurere Geräte gehört habe, die nur teilweise das Niveau dieser Stereoendstufe erreicht haben. Festzuhalten bleibt, daß knapp 12.000,-DM auch viel Geld sind und die 900,-DM für die speziellen LS-Kabel noch zusätzlich zu rechnen sind. Trotzdem ergibt die Summe aller technischen Neuerungen, die hervorragende Verarbeitung und dieses außerordentlich detailreiche, dynamische Klangbild nur die Aussage, daß die Stereoendstufe im besten Sinn des Wortes ihren Preis wert ist und auch dem Original sehr nahe kommt. Jetzt wissen Sie vielleicht, daß mit der Verbesserung von Gutem und neuen Ideen doch Innovationen im Verstärkerbau möglich sind. Ich jedenfalls werde für mein Hobby wieder anfangen zu sparen, um diesen Musikgenuß dauerhaft zu bekommen.

UA

Das Produkt: Stereoendstufe Gruensch CSE
Abmessungen (BxHxT) 47cm x 25cm x 50cm
Gewicht 40 kg
Preis ca. 12.000,- DM
Hersteller: Gruensch Audiotechnik Postfach 23 74533 Mainhardt Telefon 07903/941160 - Fax 941166, www.gruensch.de

gehört mit:
Plattenspieler: VPI HW 19
Tonarm: Alphason HR 100-S MCS
Tonabnehmer: Goldring Elite GS
CD-Laufwerk: Arcam 170
DA-Wandler: Theta DS Pro II
Vorstufe: Jeff Rowland “The Consummate” mit Phono-Stage
Endstufen: Omtec CA 60; Gruensch CSE
Lautsprecher: HGP Corda
NF-Kabel: Furukawa, Mogami
LS-Kabel: Furukawa, Gruensch LS-Kabel