HÖRERLEBNIS 30: Portrait
Interview mit van den Hul
Der holländische Gallier
Wir befinden uns im Jahre 1999 nach Christi. Die ganze Welt ist von den Digitalos okkupiert. Die ganze Welt? Nein! Ein unbeugsamer Niederländer hört nicht auf, den Digitalos Widerstand zu leisten. Er wickelt Spulen in Kupfer, Silber und Gold. Und das Leben ist nicht leicht für die Digitalos, wenn sie damit einmal Musik gehört haben.
Es ist kein Hightechtempel, auf den ich zugehe, sondern ein typisches niederländisches Bauernhaus. Am Eingang stolperte ich über Baugerüste, da hier gerade das Dach repariert wird. Und gerade lief mir der jüngste, 2 1/2 jährige Sproß der Familie über den Weg. Raten sie mal: Richtig! Es handelt sich um ein Interview mit Van den Hul.
Frage: Herr Van den Hul, wenn man hier auf den Hof kommt, und nicht gerade über die Dachdeckergerüste fällt, stolperte man, so Sie gerade vorhanden sind, und nicht mit dem Fahrrad unterwegs, über eine erkleckliche Anzahl von kleinen Kindern. Alles ihre?
Van den Hul: Alles eigene Kinder.
Frage: Wieviel haben Sie?
Van den Hul: Ich habe aus meiner ersten Ehe 3 Kinder und 3 aus meiner Zweiten.
Frage: Sorgen Sie auf diese Art und Weise für den Nachwuchs bei der Tonabnehmerfertigung? Und wer von ihren Kindern hat sich diesem Metier schon verweigert?
Van den Hul: Die drei Kinder aus meiner ersten Ehe haben sich dem verweigert. Von den Kindern aus meiner zweiten Ehe hat keines abgelehnt. Dazu läßt sich übrigens sagen, daß in meiner Abwesenheit sich mein ältester Sohn an meinen Tisch setzt, und mit den Sachen die dort liegen, herumbastelt.
Frage: Und wieviele Tonabnehmer haben auf diese Art und Weise die ewigen Jagdgründe erreicht?
Van den Hul: Glücklicherweise nur einer. Da mein Sohn beschlossen hatte, mit dem Magneten dieses Tonabnehmers einige Schrauben einzusammeln, wurde dadurch die Spule völlig ruiniert. Ich mußte also einen neuen Tonabnehmer fertigen. Der Kunde war glücklich, einen neuen Tonabnehmer erhalten zu haben.
Frage: Können wir mal ein Blick in das Allerheiligste werfen, in dem einige 1000 Tonabnehmer zusammengeschraubt worden sind, und hoffentlich noch einige weitere 1000 zusammengeschraubt werden?
Van der Hul: Natürlich, kommen sie mal mit (geht vor). Hier in diesem Raum, auf diesen anderthalb Quadratmetern wird alles gebaut. (Er zeigt auf einem mittelgroßen Tisch)
Ich stehe nun in einem Raum, in dem ich beschlossen habe, mich nur sehr vorsichtig herumzudrehen. Um mich herum befindet sich das, was man als wohlsortiertes Chaos bezeichnen könnte; ich hoffe jedenfalls das es wohlsortiert ist. Für mich ist es erst einmal nur Chaos. Dominiert wird dieser Tisch durch ein großes, hoffentlich fest aufgeschraubtes Mikroskop. Dabei wandelt mich eine Frage an.
Frage: Eine wie ruhige Hand benötigt man eigentlich, um eine Tonabnehmerspule zu wickeln?
Van den Hul: Eine sehr ruhige Hand. Die Drähte haben einen Durchmesser von 20 Micron, und jede falsche Bewegung zeigt die dementsprechenden Resultate.
Frage: Werden hier alle Spulen mit der Hand gewickelt?
Van den Hul: Die Spulen sind teilweise mit der Maschine gewickelt, lediglich die Endabstimmung und Justage erfolgt mit der Hand. Auf dem Mikroskop sehe ich eine aufmontierte Kamera.
Frage: Wozu dient diese Kamera?
Van den Hul: Mit dieser Kamera kann ich immer eine fotografische Dokumentation von einem Tonabnehmer erstellen. Das kann bei Reparaturen oder Schadenersatzansprüchen wichtig sein, wenn zum Beispiel Kunden die Reinigung einer Nadel mittels einer ölhaltigen Substanz vorgenommen haben. Dieser Anteil zerstört auf die Dauer das Gummilager. Und mit der Kamera kann ich einen Nachweis davon führen.
Frage: Was ist bei dem Bau eines Tonabnehmers die kritische Phase?
Van den Hul: Der Abgleich! Immer der Abgleich. Das ist immer ein Zwischending in der Interpretation von dem was man sieht, und dem was man tut.
Frage: Was verstehen Sie unter Abgleich?
Van den Hul: Das ist das geometrische genaue Einrichten der Spulen im Feld und ebenfalls des Lagers beziehungsweise der Nadelspitze im richtigen Winkel.
Wir verlassenen den Raum wieder und setzen uns an einen runden Tisch, auf dem schon der Kaffee dampft.
Frage: Herr Van den Hul, wie alt sind Sie?
Van den Hul: ich bin jetzt 61.
Frage: Haben Sie sich schon einmal überlegt, wenn sie keine Tonabnehmer mehr wickeln wer dieses dann macht, oder setzt dann ein allgemeines Heulen in der Welt ein?
Van den Hul: Wenn ich einmal aufhöre, dann hört nicht alles andere auf. Außerdem wurde mir in Thailand von einem buddhistischen Mönch gesagt, daß ich 85 Jahre alt werde. Also habe ich noch mindestens 24 Jahre, in denen ich Tonabnehmer bauen kann. Sicherlich würde sich auch hier in der Firma eine Lösung finden. Und der jüngste Sohn, der jetzt gerade 2 Jahre alt ist, wird dann auch schon ein wenig älter sein, er schaut schon immer interessiert zu. Zudem haut er öfter mit einem Hammer auf irgendwelche Dinge drauf, ich vermute, er hat technische Qualitäten.
Frage: Ihre Tonabnehmer gehören mit zu dem Besten, was man überhaupt auf dem Weltmarkt bekommt. Was haben sie zu ihrer Entschuldigung vorzubringen, daß sie so gute Tonabnehmer bauen?
Van den Hul: Ich habe das Glück, daß meine Ohren sehr empfindlich sind. Von meiner Ausbildung her besitze ich die Fähigkeit, dieses in entsprechende technische Lösungen umzusetzen. Ich bin sehr engagiert in dieser Tätigkeit, und das bedeutet, daß ich viele 1000 Stunden damit verbracht habe. Wenn man also pausenlos konstruiert, verbessert, experimentiert und vergleichend hört, bekommt man eine Menge Erfahrung und Wissen, aufgrund dessen man ständig neue und verbesserte Produkte herstellen kann. So etwa wie in der letzten Woche, in der ich auch wieder ein neues Ding gebaut habe.
Frage: Was ist ihre ursprüngliche Ausbildung?
Van den Hul: Ich bin Elektrotechnikingenieur mit viel zusätzlicher physikalischer Ausbildung. Früher entwickelte ich Meßgeräte für ein Beschleunigungsgerät, ein Protonenbeschleunigungsgerät (Dieses Gerät gehört in den Bereich der Kernphysik). Dies alles hatte mit Vakuum, Metallarbeit, Messen und Rechnen zu tun. Tatsächlich hatte ich dort mit magnetischen Feldern zur Fokussierung der atomaren Strahlung zu tun. Das war ein ziemlich breit gefächertes Entwicklungsgebiet, in dem ich auch viel mit Verstärkern und Meßgeräten zu tun hatte.
Van den Hul: der holländische Entwickler zählt heute weltweit zu d en bedeutendsten Herstellern von Tonabnehmern.
Frage: Wann haben Sie angefangen Tonabnehmer zu bauen und warum?
Van den Hul: Das ist eine Geschichte, die mit meinem Vater zusammenhängt. Er war bei Philips und Decca Aufnahmeleiter. Er hat mir, als er 1948 gestorben war, eine größere Menge Schallplatten hinterlassen. Anfangs bin damit nicht sehr sehr sorgfältig umgegangen. Erst später wurde mir bewußt, daß dies ein wertvolles Erbe ist. Ich habe dann meinen eigenen Plattenspieler, Tonarm und Kristalltonabnehmer gebaut. Wenn man das einmal gemacht hat, läßt es einen nicht mehr los. Alles ist eigentlich auf diesen ersten Plattenspieler zurückzuführen.
Frage: Wie lange bauen sie schon Tonabnehmer?
Van den Hul: So etwa um 1972 oder 73 herum. Reparaturen an Tonabnehmern habe ich schon Ende der sechziger Jahre durchgeführt. 1978 hatte ich damit die ersten Erfolge. Seitdem bin ich eigentlich kontinuierlich damit beschäftigt, Tonabnehmer zu bauen und das fast jeden Tag.
Frage: Obwohl sich dieses Interview hauptsächlich um Tonabnehmer dreht, sollte man nicht vergessen zu erwähnen, das sie auch noch einige andere Dinge herstellen. Sie stellen einige Kabel her und elektronische Geräte.
Van den Hul: Wir stellen hier keine eigenen Kabel her, sondern lassen Sie bei anderen Herstellern fertigen. Hier werden diese Kabel lediglich konfektioniert. Der Entwurf, die Konstruktion und Materialauswahl für diese Kabel geschieht natürlich hier bei mir. Wenn man eine optimierte Übertragungskette aufbauen will, dann muß man sich notgedrungen mit allen Teilen dieser Kette beschäftigen. Das bedeutet, daß man nicht bei Nadelträgern, der Spule oder dem Eingangsübertrager aufhört, sondern sich mit Allem beschäftigen muß. Kabel sind die unausweichliche Folge eines solchen Verhaltens.
Frage: Zurück zum Tonabnehmer! Würden sie nicht auch sagen, daß die Möglichkeiten zum Bau von Tonabnehmern so ziemlich ausgereizt sind?
Van den Hul: Ich glaube nicht, daß die Möglichkeiten dieser Technik schon restlos ausgenutzt worden sind. Es sind immer noch Detailverbesserung möglich, mit denen man größere Präzision, Auflösungsvermögen oder Definition erreichen kann.
Frage: Eine These von mir ist: Die analoge Technik erlebte einen richtigen Aufschwung erst mit dem Einsatz der Digitalen Ära. Es gab noch nie so viele gute Plattenspieler, Tonabnehmer und Tonarme und wie zur Zeit, obwohl alle Leute das Todeslied der analogen Ära singen.
Van den Hul: Nicht alle Leute haben in dieses Lied miteingestimmt. Tatsächlich waren es diejenigen, die mit den digitalen Geräten und Tonträgern ihr Geld verdienten. Diese Leute haben gedacht, analog muß sterben. Deshalb sind auch schlechtere Platten geschnitten und gepreßt worden. Anhand dessen wollte man beweisen, daß Digital besser sei. Es hat aber eine derartig starke Reaktion von den verbliebenen Analogliebhabern gegeben, die unter anderem auch immer besseres Analogequipment hergestellt haben. Somit hat Analog heute eine Position erreicht, in der es sich voll neben dem Digitalen behaupten kann, und es in vielen Fällen weit übertrifft.
Frage: Man kann doch sagen, daß der Fundus an vorhandenen und auch neu gepreßten Schallplatten schier unerschöpflich ist. Einen Mangel an Tonträgern kann ich somit eigentlich nicht feststellen.
Van den Hul: Das denke ich auch. Es gibt so viele gute Schallplatten, schiffsladungsweise. Darauf befindet sich so viele gute Musik, das kann die digitale Aufzeichnung in den nächsten 50 Jahren nicht aufholen.
Frage: Ihre Tonabnehmer gehören zu den eher hochpreisigen Objekten. Ein Black Beauty kostet immerhin fast 7000 DM. Es gibt aber etliche Hersteller von Plattenspielern, die in einem Preissegment bis 1500 DM schon ausgezeichnete Geräte herstellen. Haben Sie einen Tonabnehmer für Geräte in dieser Preisklasse anzubieten?
Van den Hul: Da haben wir auch Tonabnehmer, Moving Magnet und als Einstiegsmodell in die Moving Coil Welt das DDT. Das DDT war eigentlich mein erstes Moving Coil System. Heute führt dieses System schon so etwas wie ein Eigenleben.
Frage: Ich habe jetzt einige spezielle Fragen, die sich hauptsächlich auf meine letzten Besprechungen mit ihrem System beziehen. Alle ihre letzten Konstruktionen haben an der Vorderseite in Form einer kleinen Nase einen winzigen Magneten montiert. Sie bezeichnen dieses als magnetischen Staubsauger. Was soll das heißen?
Van den Hul: Das ist wirklich ein magnetischer Staubsauger. Es ist kaum zu glauben, wie viele Tonabnehmer ich repariert habe, in deren Magnetspalt ich metallische Teilchen gefunden habe. Diese können zu einem völligen Ausfall des Tonabnehmers führen. Also habe ich mir gedacht, ich baue auf die Front von dem Tonabnehmer einen kleinen, starken Magneten, der alle die auf der Schallplatte befindlichen magnetisierbaren Metallteile von vornherein aufsaugt. Außerdem steigt durch diesen Magneten die Stärke des magnetischen Feldes im Magnetspalt, dadurch erhöht sich zusätzlich die Ausgangsspannung des Systems. Dieser überstehende Magnet stellt ebenfalls einen mechanischen Schutz für den Nadelträger dar. Das hat vielen Leuten Reparaturen wegen abgebrochenen Nadelträgern erspart.
Frage: wie kommt es, daß sich ein Tonabnehmer wie das Black Beauty gegenüber einem Tonabnehmer der Grasshopperserie, z. B. dem Grasshopper 4 Gold, noch so anders anhört?
Van den Hul: Das hat seinen hauptsächlichen Grund in den verschiedenen Formen der Spule. Beim Grasshopper ist der Spulenträger ein Plättchen, beim Black Beauty ein Kreuz. Dadurch ergeben sich Unterschiede in der Kanaltrennung, der Art der bewegten Masse der Spule, die im Endeffekt für die Kanaltrennung verantwortlich ist. Es ist möglich andere Lagerungsgummis einzubauen, was auch wiederum der Wiedergabe zugute kommt. Bei dieser Bauweise erkauft man sich einen leichten Verlust der Dynamik, erhält aber eine gesteigerte räumliche Wiedergabe. Ich selber bewerte die bessere räumliche Wiedergabe positiv gegenüber dem geringen Dynamikverlust. Zusätzlich bekommt man eine Steigerung und somit Verbesserung der Kanaltrennung.
Frage: Die Grasshoppersysteme gibt er es mit Gold- und Silberspulen. Gibt es derartige Ausführungen auch für das Black Beauty?
Van den Hul: Ja das gibt es. Das Black Beauty gibt es auch mit Silberspulen.
Frage: Was ist der generelle Unterschied?
Van den Hul: Ich kann die Goldspulen etwas besser wickeln. Damit ergeben sich eine bessere und feinere Wiedergabe. Man könnte das Modell mit der Silberspule als Volksmodell bezeichnen.
Frage: Erklären Sie bitte den Unterschied zwischen Black und White Beauty.
Van den Hul: Das Black Beauty hat eine Goldspule, daß White Beauty eine Silberspule. Das ist der ganze Unterschied.
Frage: Eigentlich ist Silber ja der bessere elektrische Leiter als Gold. Warum nehmen Sie dennoch Gold als Spulenmaterial für das Flaggschiff?
Van den Hul: Die elektrische Leitfähigkeit und der spezifische Widerstand sind nicht alles. Es kommt auch auf die Stabilität der Leitfähigkeit an. Darin ist Gold besser als Silber. Dieses Material hat die höhere Langzeitstabilität. Es gibt auf lange Sicht gesehen keine Veränderung des Systems. Es hat auch was damit zu tun, daß Gold weicher und flexibler als Silber ist. Dadurch tritt eine geringere Materialermüdung innerhalb des Materials auf. Diese Eigenschaft ist um so positiver zu bewerten, je weicher und flexibler ein Material ist. Gold mit 24 Karat ist dabei das beste Material.
Frage: Geben sie für ihre Tonabnehmer bestimmte Tonarmempfehlungen?
Van den Hul: Je leichter, desto besser. Ich bin kein Freund von einpunktgelagerten Tonarmen, vor allem dann, wenn sie nicht präzise genug arbeiten. Ich kenne auch Tonarme, die so unpräzise gemacht worden sind, daß alle Tonabnehmer in falscher Position montiert werden müssen. So erreicht man bei der Abtastung nicht einmal mehr die richtigen Nulldurchgänge. Speziell bei amerikanischen Tonarmen tritt dieser Fehler auf. Deshalb baue ich für den amerikanischen Markt Tonabnehmer mit einem eingebauten Fehler, um diesen anderen Fehler zu kompensieren. Bitte also keine Einpunktlagerung; ich kenne nur eine einzige positive Ausnahme. Ich halte es einfach ansonsten für eine zu schwere Aufgabe, wenn ein System den gesamten Arm führen soll. Die meisten japanischen Arme halte ich für zu schwer. Das ist besonders negativ, wenn man verwellte Platten hat. Dadurch steigt die Belastung des Nadelträger stark an. Mittlerweile existieren aber auch etliche sehr gute Konstruktionen auf dem Markt. Ich bin froh darüber, daß ich sehen kann, daß die Entwicklung nicht stehen bleibt.
Frage: Es gibt auf dem Markt eine Menge reichlich teurer Tonabnehmer. Wie ist ihre eigene Einstellung zu einem Tonabnehmer mit einem Verkaufspreis von deutlich über 10.000 DM? Würden sie so etwas überhaupt als gerechtfertigt betrachten?
Von den Hul: Nein! Ich kenne die Materialkosten und die Zeit, die man benötigt, um einen solchen Tonabnehmer zu bauen und abzugleichen. Der Handel verlangt zu hohe Preise und Gewinnspannen, wenn er ein solches Objekt weitergibt. Von der Herstellerseite betrachtet, sind diese Preise, wie sie im Handel existieren, nicht gerechtfertigt. Auf der Messe in Frankfurt werde ich öfter angesprochen, warum meine Produkte denn so teuer seien. Ich kann dann ja schlecht sagen, reden Sie mal mit ihrem Freund, dem Händler. Wenn der seine Gewinnspanne reduziert, dann erhalten Sie zu einem sehr guten Preis ein erstklassiges Produkt. Wenn in unserer Branche die gleichen Konditionen wie im Autohandel gälten, dann wären alle Produkte erheblich preiswerter. Es scheint eine Frage der Gewohnheit zu sein, daß derartig hohe Aufschläge im HIFI- Handel verlangt werden. Und ich finde es traurig, daß die Händler nicht einsehen, daß sie damit im Endeffekt das Gewerbe kaputtmachen. Dadurch ist die Menge derjenigen Leute, die im Endeffekt derartige Dinge erwerben können, stark eingeschränkt. Und es führt vermutlich dazu, daß immer mehr Hersteller direkt an den Endkunden verkaufen werden, und in irgendeinem Land höchstenfalls noch ein Generalimporteur existiert. Und das hat zur Folge, daß kein Handel mehr da ist. Das trifft auch auf große Handelshäuser zu, die eigentlich nicht mehr für den HIFI-Handel geeignet sind. Wenn sie mit normaler Gewinnspanne arbeiten würden, dann würden durch die reduzierten Preise sie sicherlich mehr Umsatz machen. Dieser Umsatz käme wiederum dem Fabrikanten zugute, der mehr fertigen könnte, und dem Endkunden, der weniger zahlen würde.
Nun eine ganz harte Frage: Für wie qualifiziert halten sie den durchschnittlichen deutschen oder holländischen Händler, um Analog vorzuführen, zu montieren, zu justieren und richtig anzuschließen, also die gesamte Beratung und den Support wahrzunehmen?
Van den Hul: (Seufzer) Es gibt glücklicherweise nachwachsende junge Leute, die vermutlich von älteren Leuten ausgebildet wurden. Und es gibt diejenigen Leute, die sich aus Interesse mit diesem Gebiet beschäftigen. Ich habe aber Tag für Tag hier irgendwelche Reparaturen, die einfach daherkommen, daß bei der Montage eines Systems der Händler zu fest irgendwelche Schrauben anzieht und damit einen Systemkörper zerstört oder ähnliche Dinge mehr. Und ich frage mich dann, wenn ich diese Dinge zur Reparatur bekomme, warum ich mir die Mühe machte, zu versuchen, allen Leuten möglichst genau zu erklären, wie sie Tonabnehmer einzubauen haben.
Frage: Um ihrer diplomatischen Antwort auf den Grund zu gehen: Sie schätzen also die Qualifikation nicht sehr hoch ein?
Van den Hul: Richtig! Aber es gibt glücklicherweise noch immer genügend Ausnahmen.
Frage: Kommen wir zu den Reparaturen: Prinzipiell reparieren sie jeden Tonabnehmer?
Van den Hul: Ja mit folgenden Ausnahmen: Dynavector 17 und 23, Audio Technica nur auf Kundenwunsch und die Denon‘s der Tausenderserie. Für einige Systeme habe ich das Material einfach nicht.
Frage: Woher bekommen sie ihre Materialien, seien es Spanndrähte oder Lagerungsgummis oder eventuell auch Borröhrchen?
Van den Hul: Speziell mit der Gummilagerung ist das ein ganz großes Problem. Es gibt keinen Fabrikanten mehr, der diese Dinge noch fertigt. Ich habe große Mengen an Materialien gekauft, mit denen ich noch eine Weile hinkomme. Und in den USA habe ich 12 Kilometer Borröhrchen gekauft.
Frage: Zwischenfrage: Wird das Bor gleich als Röhrchen hergestellt?
Van den Hul: Nein, wird es nicht. Es handelt sich um einen Draht. Dieser wird dann mit einem Laser aufgebohrt. Dafür habe ich einen Fabrikanten. Ich habe viele Teile gehortet, die in den meisten Tonabnehmern universell verwendbar sind. Es ist nicht allgemein bekannt: viele Tonabnehmer werden von sehr wenigen Herstellern hergestellt. Wenn man das Gehäuse öffnet, erkennt man sofort, von welchem Hersteller dieser Tonabnehmer fabriziert wurde. Somit benötigt man nicht eine unbegrenzte Anzahl von Ersatzteilen.
Frage: Jedes System, egal von welchem Hersteller es kommt, hat ja seine eigene klangliche Charakteristik. Wenn sie ein solches System reparieren oder umbauen, dann verwenden sie ja ihre eigenen Materialien, wie zum Beispiel Gummis oder Nadelträger. Wie sieht es danach mit den klanglichen Eigenschaften eines solchen Systems aus?
Van den Hul: Ich habe hier weit über 20.000 Systeme repariert. Somit ist jede Art von System, die es irgendwo auf der Welt gibt, sicherlich schon mal hier gewesen. Bei allen Systemen gibt es unterschiedliche Feinheiten beim Zusammenbau. Diese machen den Klang aus. Mit etwas Erfahrung kann man solche Feinheiten wieder reproduzieren.
Frage: Wann lohnt es sich nicht mehr, ein System zu reparieren?
Van den Hul: Nur dann, wenn die Kosten zu hoch sind.
Frage: können Sie sich eigentlich mit einem anderen System als von Ihnen eine Schallplattenwiedergabe vorstellen, bei der es ihnen nicht graust?
Van den Hul: Nein nein nein! Ich habe oben eine Sammlung von 50 bis 60 Tonabnehmern, die ich ihm Verlaufe der Zeit gesammelt habe. Mit jedem habe ich Spaß gehabt. Man sollte sich Musik anhören und nicht immer ein technisches Ohr in die Anlage stecken. Ich denke, Musik ist wichtiger als Technik!
Frage: Von Haus aus ist der Moving Coil Tonabnehmer das einzige HIFI-Gerät, daß eine symmetrische Natur hat. Es gibt die Möglichkeit, die Verstärkung hinter dem Tonabnehmer direkt symmetrisch durchzuführen. Gibt es in ihrem Hause eine bestimmte Bevorzugung einer Anschlußart? Und wie stehen Sie zu einer Symmetrierung über einen Transformator?
Van den Hul: Ein symmetrischer Anschluß ist besser als ein asymmetrischer! Man reduziert dabei eventuelle Einstrahlungen, und das kann man hören. Bei der Benutzung eines Transformators hat man in der ganzen Übertragungskette ein zweites magnetisierbares Bauteil. Dieses führt durch sein Eigenleben wiederum eine Ungenauigkeit in die Kette ein, so daß ich sage: Lieber nicht!
Frage: Meiner Meinung nach sind sehr viele Eingänge für Tonabnehmer falsch konstruiert. Sie sind im allgemeinen zu niederohmig ausgeführt. Diese Niederohmigkeit stammt noch aus den Zeiten, als es noch nicht möglich war, genügend rauscharme Eingänge zu konstruieren. Was ist ihr Standpunkt?
Van den Hul: Früher wurden derartige niederohmige Abschlußwiderstände eingeführt, um das Überschwingen der Systeme bei hohen Frequenzen zu dämpfen. Mittlerweile ist es technisch möglich Systeme zu bauen, die in diesem hohen Frequenzbereich keinerlei Resonanzerscheinungen mehr aufweisen. Damit erübrigt sich auch die Bedämpfung. Vorverstärker sollten einen Wert aufweisen, der zwischen 10 bis 20 mal höher ist als die Impedanz des Tonabnehmers. Allerdings kann dieses zu Problemen mit nicht korrekt aufgebauten Tonabnehmern führen. Diese zeigen bei hohen Abschlußwiderständen einen starken Anstieg im Höhenfrequenzgang. Jedes technisch gute System kann ruhig hochohmig abgeschlossen werden.
Frage: Wie sinnvoll ist es Tonabnehmern zu bauen, die einen Frequenzgang bis 50.000 oder 60.000 Herz aufweisen, da auch die beste analoge Tonbandmaschine bei ca. 38.000 Herz und perfekter Einmessung ihr Limit hat?
Van den Hul: Wenn nur Frequenzen bis 20.000 Herz da wären, würde ich auch sagen, daß es unsinnig ist, mehr zu übertragen. Aber nehmen wir mal einen Beckenschlag: dort sind sicherlich Frequenzen vorhanden, die über 20.000 Herz hinausgehen. Ebenso gibt es Mischprodukte durch die hohen Frequenzen, die sich unterhalb von 20.000 Herz wiederfinden. Wenn ich also ein System strikt bei 20.000 Herz begrenze, so höre ich wohl die unterhalb dieser Frequenz angeordneten Produkte, nicht aber das, was über 20.000 Herz hinausgeht. Damit fehlt mir ein Teil des natürlichen Hörens. Je höher die natürliche Bandbreite eines Geräts, desto besser erachte ich es als für die Übertragung geeignet. Das trifft auch auf alle anderen Geräte zu wie zum Beispiel Verstärker. Ich habe Messungen angestellt, die ergeben haben, daß selbst in den Innenrillen von Schallplatten es möglich war, eine Übertragungsbandbreite von mehr als 50.000 Herz zu erreichen. Das bedeutet, daß meine Nadeln einen sehr großen Übertragungsbereich ermöglichen. Früher war das wichtig, wenn man eine vernünftige CD-4 Wiedergabe erreichen wollte. Leider gibt es nicht sehr viele derartige Schallplatten.
Frage: Haben Sie eine bevorzugte Lieblingsmusik ?
Van den Hul: Ich liebe klassische Musik, vor allen Dingen aus der Periode von Johann Sebastian Bach, und von den Italienern liebe ich die Renaissancemusiker. Das ist eigentlich meine Musik.
Vielen Dank für das Interview.