HÖRERLEBNIS 29: Unison Research
Röhrenvollverstärker: S2 von Unison Research
“alea iacta est”
von Robert Schmitz-Nienhaus
Extrem schön, extrem klein, extrem gut. Damit ist schon so ziemlich alles gesagt, was den Röhrenvollverstärker S2 des italienischen Herstellers Unison Research auszeichnet. Die Leistungsröhren EL 34 steuert er im Singleended-Modus als Triode an und stellt dabei zweimal acht Watt zur Verfügung. Mitbewerber setzen bei diesen Glühkolben lieber auf Pentodenbetrieb und holen oft bis zu 35 Watt heraus. Sie laufen dann - um ein Beispiel aus dem Automobilbereich zu zitieren - bei gleichem Hubraum viel hochtouriger. Der Unison Research hingegen schöpft seine Kraft aus dem Vollen, was ihm zu einer von den anderen kaum erreichten, sehr lockeren Spielweise verhilft.
Während die EL 34 den Namenszug von Unison Research tragen, sind die ECC 82 nicht beschriftet. Sie stammen aus einem amerikanischen Militärfundus, aus dem sich die Italiener reichlich eingedeckt haben. Wem es nach Alternativen gelüstet, darf ruhigen Herzens experimentieren. Die automatische Ruhestromeinstellung sorgt stets für passende Rahmenbedingungen.
Die Lautsprecheranschlüsse auf der Rückseite lassen vier und acht Ohm-Boxen zu. Unabhängig von der Impedanz der Wandler habe ich bei meinen Versuchen stets der acht-Ohm-Variante den Vorzug gegeben; übrigens ein Phänomen, das ich bei vielen anderen Röhrenamps auch beobachtet habe.
Beim Design trennen sich meistens die Geister und italienische gehen sehr gerne eigene Wege und insofern unterscheiden sich die Unison Research-Entwickler ganz und gar nicht von ihren Landsleuten. Sie verwenden als Frontpaneel Rosenholz und eloxieren das übrige Gehäuse mit einer anthrazitfarbenen Schicht. Der Lautstärkeregler auf der Front ist aus dem Vollen gedreht und würde selbst einem Panzerschrank noch gut zu Gesicht stehen. Die Verarbeitung ist überaus wertig, wovon auch das relativ hohe Gewicht zeugt. Die Maße hingegen fallen mit 19 cm in der Höhe, 27 cm in der Breite und 40 cm in der Tiefe eher bescheiden aus und erinnern mehr an einen Würfel. Zumindest hebt sich der S2 optisch wohltuend von den “schwatten Einheitskisten” der Söhne Nippons ab und fügt sich als kleinster Sproß nahtlos in das ansprechende Verstärkeroutfit der Italiener ein. Vielleicht ist es vielen ähnlich ergangen wie mir. Anfangs konnte ich mich mit diesem Design nicht so recht anfreunden, weil es so anders ist, alles andere, was ich sonst so kenne. Mittlerweile gerate ich ins Schwärmen, wenn ich diese Geräte sehe. Die Rosenholzfronten lassen die kühle technische Seite solcher Geräte in den Hintergrund treten und vergrößern so den Akzeptanzfaktor bei Frauen. Zumindest meine bessere Hälfte, selbst erfolgreich künstlerisch tätig und deshalb bei diesen Fragen äußerst sensibel, reagiert positiv. Doch das Beste kommt noch: Der Preis liegt bei nur 3.000 Mark. Für dieses Geld gibt es einen Vollverstärker, der superb aussieht, hervorragend verarbeitet ist und - soviel nehme ich vorweg - ebenso gut klingt. Ich erwähne das auch deshalb, weil eine solche Summe ohne tagelange Diskussionen noch vom gemeinsamen Konto abgebucht werden kann. Zumindest in meinem Freundeskreis gibt es keinen HiFi-Freund, der die finanziellen Karten seiner Anlage der eigenen Lebenspartnerin jemals offen auf den Tisch gelegt hat. In unserem Hause haben wir uns daher dazu durchgerungen, im Zusammenhang mit meinem Hobby nie über Geld zu sprechen. So ein Verstärker wäre nun der ideale Einstieg, das im Laufe der Jahre verlorengegangene Vertrauen zurückzugewinnen - blöd sind unsere Damen ja auch nicht.
Kommentar
Trioden kommen ohne Gegenkopplung aus, was zwar meßtechnisch nicht immer ganz toll aussieht, in aller Regel bei gut aufgebauten Verstärkern aber zu einem wesentlich offeneren und plastischeren Hochtonbereich führt. Diese Vorteile darf sich der S2 nach kurzer Warmspielphase von knapp einer halben Stunde auch auf seine Fahnen schreiben. Ich halte übrigens überhaupt nichts von stundenlangem Anheizen der Elektronik. Wenn bestimmte Typen erst nach Tagen auf Hochtouren kommen, haben sie nach meiner bescheidenen Ansicht ein ernstes Konstruktionsproblem und gehören zurück auf den Tisch des Entwicklers. Der S2 kennt derlei Sorgen nicht und stimmt mich sofort von Anfang mit sehr schönen Klangfarben gnädig. Mary Black singt sich mit “All that Hammering” (Circus, Grapevine, 5896 Arcarde) gleich ins Herz. Weich und ausdrucksstark baut sich ihre Stimme fast greifbar vor mir auf. In wohl geordnetem Abstand hinter ihr melden sich doch deutlich dezenter die Backgroundsinger. Die Gitarre setzt sich ebenfalls sehr sauber ab und regt die Luft regelrecht zum Flirren an. Das Klangbild ist dabei völlig homogen und dreidimensional. Mein Lautsprecher, der Rundumstrahler Juppiter von CD Konzertmöbel, haucht die Musik federleicht heraus, ohne jeglichen Anflug von Härte. Der Tieftonbereich zeigt sich von seiner angenehmen, substanzreichen und straffen Seite. Da der Wirkungsgrad der Juppiter weit jenseits der 90 dB liegt, sind die acht Watt Ausgangsleistung völlig ausreichend. Sie lassen sogar richtig Pegel zu. Selbst in diesen Grenzbereichen verdichtet sich das musikalische Geschehen nicht zu einer zweidimensionalen dünnen Wand. Es wirkt auch nicht angestrengt, sondern behält die anfängliche Lockerheit bei.
Die einzelnen Details der Aufnahme arbeitet der S2 sorgfältig heraus, immer darauf achtend, das Gesamtgeschehen nicht aus den Augen zu verlieren und im Zweifelsfalle letzterem den Vorzug zu geben. Hier liegt aber eine seiner betörendsten Stärken. Als Zuhörer vermisse ich nichts, wenngleich ich im tiefsten Frequenzkeller kaum die Schubkraft einer 500-Watt-Monsterendstufe erwarten darf. Das ist jedoch für genußvolles Hören nicht so wichtig wie der sehr viel bedeutendere Mittenbereich. Die Stimmenwiedergabe gerät bei der Trish Turner Group (Bourbon Rain, Cardas Records) oder bei Benny Waters “Live at the Pawnshop” (Opus3, CD 19901) ebenso umwerfend wie bei Mary Black. Der S2 versteht es, die musikalischen Darbietungen mit Inhalt zu füllen. Vielleicht stellen Sie sich einmal eine große sommerliche Wiese vor. Sie sehen alle wichtigen Details, doch es duftet noch nicht. Diesen Duft zaubert dann der jüngste Sproß von Unison Research in Ihre Kette. Vorausgesetzt ihr Frontend und ihre Lautsprecher lassen es zu. Insofern ist der S2 eine ideale Ergänzung zu meinem CD-Player ECM1 von Electrocompaniet. Sie gehen gemeinsam mit den Wandlern wie ein verliebtes Pärchen Hand in Hand.
Speakers Corner hat den Vertrieb für Linn Records übernommen. Im Programm, “Lucrezia Vizzana / Musica Secreta” (mit Catherine King), geistliche Kompositionen aus dem frühen 17. Jahrhundert. Ich habe diese Aufnahme vor nicht allzu langer Zeit bei einem Freund gehört, der seine mit Transistorelektronik angesteuerte Kette nach meinem Geschmack etwas zu hell abgestimmt hat. Nervtötend kreischen bei ihm die heiligen Damen um die Wette. Sein Filius schaute kurz zu uns hinein und nahm dabei kein Blatt vor den Mund: ”Dieses Gejaule ist ja nicht zu ertragen.” Er sprach mir aus der Seele und ich nickte dankend, weil ich nicht schon wieder nörgeln mußte. Dreht sich nun der gleiche Silberling bei mir zu Hause, ist nicht nur dieses gepreßt Harsche verschwunden. In Windeseile baut der S2 eine große Bühne auf, auf der jeder Interpret seinen festen Platz zugewiesen bekommt, daß heißt neben und versetzt hintereinander. Eine Staffelung ist jetzt leicht erkennbar. Man singt nun miteinander und die Intention wird verständlich. Ich lausche jetzt nur noch und lasse mich auf den Wogen der Musik tragen. Und so vergehen Stunden um Stunden. Es ist in sich stimmig und der Duft der “Sommerwiese” durchflutet den Raum.
Natürlich geht alles immer noch ein bißchen besser. Doch bewegt sich der S2 schon jetzt auf einem hohen Level. Sein einnehmendes Wesen führt dazu, daß man sich nur auf die Musik konzentriert und nicht nach links oder rechts nach anderen Komponenten schielt. Auf meinem Notizzettel steht rund, schön, frei ... und dann nichts mehr. Der Rest hat mich gar nicht mehr interessiert. Weil es einfach paßt.
Wer sich für den S2 entscheidet, dem will ich noch einen wichtigen Hinweise mit auf den Weg geben. Mein Kollege MK ist, seit es Basen von Acapella gibt, nicht davon abzubringen, ohne sie zu hören; irgendwann baue ich ihm noch mal einen Altar aus diesen Dingern. Ich bin trotzdem seinem Angebot gefolgt und habe den S2 an seinen Rundumstrahlern Bella Luna von CD-Konzertmöbel gehört. Die Basen unter das Gerät gestellt und darauf einen Speed Block lassen den kleinen Italiener wirklich zur absoluten Höchstform auflaufen. Die Wiedergabe gerät plastischer, schlackenfreier und damit holographischer. Der S2 spielt einfach mehr auf den Punkt. Wenn man also diesen Verstärker ernsthaft ins Auge fast, sollte man ihn unbedingt mit Basen gehört haben. Aber Achtung: das ist nicht ganz billig. Ich will an dieser Stelle fairerweise anmerken, daß ich nun endgültig meine latente Skepsis über Bord geworfen habe und ich mich dem Thema Basen künftig intensiver widmen werde. In diesem Punkt ist mir mein Teamkollege einen Schritt voraus.
Charakter: Der kleinste Vollverstärker von Unison Research spielt sehr homogen und mit schönen Klangfarben. Der Baß ist für die Ausgangsleistung überaus kräftig und straff. Die Räumlichkeit finde ich sehr gut, um die Musiker herum gibt es viel Luft. Der S2 verliert seine Qualitäten nicht in der Detailsuche, sondern haucht der Musik so etwas wie Smooth und Herz ein und bindet damit den Zuhörer in das Geschehen ein.
Fazit: Klanglich und fertigungstechnisch gibt es am S2 nicht auszusetzen. Im Gegenteil: für diesen Preis halte ich den italienischen Röhrenvollverstärker für ein Sonderangebot. Das Design erinnert mich an einen Würfel und dieser wieder an einen Ausspruch eines berühmten vorgeschichtlichen Landsmannes der italienischen Entwickler: Julius Cäsar. In seinem Sinne sage ich über den S2 - die entsprechenden Lautsprecher vorausgesetzt -: “alea jacta est (Der Würfel ist gefallen)” und beende die Diskussion um das Thema “Verstärker”. Denn wer mit ihm zurecht kommt und mehr ausgibt, ist selber schuld.RSN
Produkt: S2 von Unison Research
Preis: 3.000 DM
Leistung: 2 x 8 Watt
Vertrieb: Acapella H. Winters KG, Koloniestraße 203, 47057 Duisburg, Tel: 0203-361222, Fax: 0203-361111, e-mail: acapella@acapella.degehört mit:
Laufwerk: Analog One MKII, Pianta S von Transrotor
Arm: SME , SME 345
Tonabnehmer: DT II Special, Benz Ruby-Scheu
CD-Player: Electrocompaniet EMC-1
Vorstufe: Beck RV (Röhre)
Endstufe: Beck RE (Röhre)
Lautsprecher: Juppiter von CD-Konzertmöbel
Kabel: Fadel Art (LS), Beck, Audio Agile, Voodoo-Cable Dope Sounds
Zubehör: CD-mat von audio Physic
Netzfilter: Eigenbau
Tonbasen: Eigenbau
Rack: Eigenbau