HÖRERLEBNIS-FORUM 20: Interviewportrait
Luther Allison im Interviewportrait:
Ein Amerikaner aus Paris
von Axel Jost
Er hatte schon eine ganze Menge Leben hinter sich gebracht, einige Erfolge und viele Enttäuschungen des Musikgeschäfts erleben dürfen, bis ihm, dem vielleicht härtesten Arbeiter im Weinberg des Blues, endlich Gerechtigkeit widerfuhr: LUTHER ALLISON erhielt im Mai 1996 gleich fünf Preise bei den HANDY-Awards der Blues-Musik, eine Auszeichnung, die dem GRAMMY-Award im Pop entspricht. Und ausgerechnet in den USA wurde ihm diese Ehre zuteil, seinem Heimatland, welches er fast zwei Jahrzehnte zuvor frustriert verlassen hatte, um den Europäern den Rhythm und den Blues zu bringen.
Geboren wurde Luther Allison im Jahre des Herrn 1939 in einem kleinen Ort in Arkansas; mit 12 Jahren zogen er und seine Familie nach Chicago um, die US-Blues-Stadt reinster Ausprägung. Dort traf er auf seine sogenannten "Lehrmeister", Musiker vom Schlage FREDDIE KING oder ELMORE JAMES, mit denen er jammte und tourte, bis er 1972 - schon nicht mehr ganz jung - bei Motown einen eigenen Plattenvertrag unterschrieb. 1976 war er dann zum erstenmal in Europa, wo es ihm prächtig gefiel. Ein paar Jahre später blieb er in Paris hängen (wie so mancher Amerikaner vor ihm!); dort wohnt er noch heute mit seiner Frau und Managerin ROCKY, einer Lehrerin, die ihn auf seinen Tourneen begleitet und auch beim (gleich folgenden) Interview dabei war. Auf dem alten Kontinent immerhin gewann der mittlerweile 58jährige zumindest in Insiderkreisen rasch Kultstatus - dank seiner schnurgeraden und pfeilschnellen Gitarrenarbeit (die sich vor allem bei extrem langen Live-Shows ausleben konnte) und dank seiner Glaubwürdigkeit, die zu gleichen Teilen aus der Überzeugungskraft seiner Songs und seinem eigenen, von mehr Tiefen als Höhen gekennzeichneten Lebenslauf herrührte.
Ich meinerseits wurde auf ihn im Jahre 1992 aufmerksam durch die Art von Platte, für die man als wählerischer Rezensent für gewöhnlich nur wenig Aufmerksamkeit übrig hat und die für den Mann aus Chicago noch dazu überhaupt nicht typisch ist, das akustische Edel-HiFi-Album "Hand Me Down My Moonshine" nämlich, das ich von Luthers damaliger deutscher Plattenfirma INAK unaufgefordert ins Haus geschickt bekam. Solchen geschenkten Gäulen läßt man gemeinhin nur wenig Beachtung zuteil werden, falls überhaupt. Aber die "Moonshine"-Scheibe - wie zufällig sie auch immer hineingeraten sein mochte - bekam ich für Wochen praktisch nicht mehr aus meinem CD-Player heraus (so wie derzeit AXELLE REDs "A Tatons" aus der letzten Liste - kann man eigentlich ernsthaft suchtkrank nach einer Platte werden??? Aber zurück zum Thema...). So direkt, so klar, so überzeugend und schön hatte damals schon lange keine Platte mehr zu mir gesprochen. Da musizierte jemand mittenmang in meinem Wohnzimmer, begleitete mich durch meinen Alltag, erzählte mir von sich, seinen Wünschen, seinen Ängsten, seinen Freuden. Und ich entdeckte immer wieder Neues auf dieser CD, gewann ihr immer wieder andere Aspekte ab. Und diese Platte ist immer noch ein Meisterwerk, eine Sternstunde des modernen, grenzüberschreitenden Blues. Mir fällt kein anderer Vergleich dazu ein als VAN MORRISONs epochales "Astral Weeks", das in seiner abgeklärten, reinen Schönheit ja auch großenteils ein Zufallsprodukt war. "Moonshine" ist von vollendeter Harmonie; erzählt durch die Abfolge der Songs eine eigene Geschichte, die am Morgen mit einem Song ("Good Morning Love") beginnt, der als Wegweiser für den Rest der Scheibe dient: "You make me feel so good / I know I'll have a good day". Mit einer fröhlichen Feier in der Nacht ("Meet Me In My Hometown") klingt dieser Tag dann aus. Die Atmosphäre der Songs ist freundlich und kommunikativ, stimuliert aber auch das Selbstbewußtsein der Hörerschaft und ist von gänsehauttreibender Intensität: Paris - ein Fest fürs Leben.
Technisch haben wir es mit einer Zweispur-DAT-Aufnahme zu tun, eingespielt in Luthers Wohnzimmer und im Keller eines Musikalienhandels in Paris. LA spielt akustische Gitarre und singt, begleitet wird er von einem französischen Wunderknaben namens ZOX am Baß, ab und an treten noch einige Gäste in Erscheinung, darunter auch sein Sohn BERNARD ALLISON. Aber ich fange schon wieder an, das ganze Ding zu zerreden. Ich behaupte: Niemand, der den 9:26 Minuten langen Titelsong einmal gehört hat, wird ihn je wieder vergessen können. Bei mir haben sich, Tatsache, schon Leute höflich dafür bedankt, dass sie durch mich auf "Moonshine" aufmerksam wurden. Wer immer noch auf die 60 Minuten wartet, die sein Leben verändern, bitte, hier ist eine Gelegenheit, wahrscheinlich sogar die beste. Die CD als Freund, Lebenspartner, Lebensraum, was weiß ich. Für andere schwer nachvollziehbar, vielleicht. Aber warum stellt man sich denn superteure Anlagen hin, wenn nicht deswegen? Um eine andere Wirklichkeit zu erleben, den eigenen Sorgen zu entfliehen und so weiter. Nur meistens klappt das nicht, und nicht immer ist daran die Technik schuld. Auch Musik kann seelenlos, flach, oberflächlich, ja geradezu dummdreist sein. "Moonshine" versagt da nicht, "Moonshine" ist Lebenshilfe, "Moonshine" ist der Blues, aber er ist voller Optimismus, Glück, Gefühl. Solange es solche Platten gibt, haben diejenigen, die sie hören, noch eine Chance. Und auch diejenigen, die sie machen - ich habe es im Kleinen erlebt und Luther im Großen. Und jeder, der eine Ader für sowas hat, kann und wird es auch erleben.
Schön, prima. Dann kam Luthers nächste Platte, "Bad Love" (LINE, 1994). Und der Titel ist Programm, nix als schlechte Vibes, jedenfalls für den "Moonshine"-Junkie: Das Leben ist schlecht, die Frauen noch schlechter, und die Liebe existiert nur als "bad love". Und natürlich ist alles auf "Bad Love" elektrisch und laut - wo war die Intimität, die Nähe, der Trost von "Moonshine" geblieben? Wir merken uns: Der Blues ist wie das Leben, und das Leben hat eine ganze Menge Seiten, gute und schlechte - und solche, die sich in ihr Gegenteil verkehren, und weiter solche, die man erst einmal überhaupt nicht kapiert, so wie ich diese Platte. Dazu war erst das Interview nötig, nicht nur mit Luther, sondern auch mit ROCKY, seiner Frau. Selten habe ich bei einem Interview so viel gelernt - und erst danach konnte ich auch das mit dem "Preis der deutschen Schallplattenkritik" golden bestickerte "Bad Love" mit Genuss hören.
Bei Luther musste ebenfalls ein Knoten geplatzt sein: "Blue Streak" (1995, INAK) glänzte mit grandiosen Arrangements und einer Gitarre, die ausgefeilter, schneidender und singender war denn je. "What Have I Done Wrong", schmetterte der Unverwüstliche auf dieser CD, gemeinsam mit den gepflegten Bläsersätzen der MEMPHIS HORNS fragte er "What's Going On In My Home?" - und machte ab dann alles richtig. Die Scheibe verkaufte sich ausgezeichnet in Amiland, und auch die dortigen Medien entdeckten nun den Amerikaner aus Paris in seiner Heimat wieder: Das renommierte Blues-Magazin "Blues Revue" kürte ihn zum "New King of the Blues" und widmete ihm eine Titelgeschichte. Quasi als Dankeschön setzte seine deutsche Plattenfirma RUF im Herbst 1996 das Sahnehäubchen "Where Have You Been - Live in Montreux 1976-1994" noch obendrauf. Die Scheibe vereint mehrere von Allisons feinsten Momenten bei seinen Auftritten auf vier verschiedenen Jazzfestivals im schweizerischen Montreux: Sein charismatischer Gesang, sein soulig-rockig-witziges Gitarrenspiel und einige seiner größten Hits, etwa "Bad News Is Coming" und - notabene! - "Bad Love", letzteres dramatische 9:40 Minuten lang, erklingen in bestechender Klangqualität. Und nun "Reckless" (RUF, 1997), das souveräne Dokument eines Blues-Meisters aller Klassen. "I'm Back", shoutet er im ersten Titel mit der Überzeugungskraft von einem, der das Diktum "they never come back" nach langen Mühen Lügen strafen konnte, und keine Geringere als MARLA GLEN unterstützt ihn bei seinem triumphalen Statement "Just As I Am", dem glattweg nichts mehr hinzuzufügen bleibt.Als ich ihn vor einigen Jahren live erlebte, da war er noch ein Geheimtip. Aber den "Bahnhof" in Bochum-Langendreer hatte er im Januar 95 immerhin schon dicke ausverkauft, und der Rest seiner Tour war wohl ähnlich gelaufen - kein Wunder, denn wer außer ihm, bitteschön, spielt länger als VIEREINHALB STUNDEN live am Stück - AM STÜCK??? (Mittlerweile gibt er sich wohl mit zweieinhalb Stunden zufrieden.) Und dann noch dazu eine Show, die niemals langweilig wird? Eine Soul-Funk-Jazz-Gospel-Rhythm-Blues-Performance, bei der aber auch absolut gar nichts ausgelassen wird?
Entsprechende Andeutungen mir gegenüber am Tag zuvor hatte ich nicht so ganz ernst genommen - aber Luther Allison hatte nicht gescherzt, und einen langen Tag später war ich nach der Show völlig erschlagen und kaputt, aber um ein Quäntchen Wissen reicher: Der Mann beherrscht jeden Trick im Buch. Er zieht mit Gitarre und Mikro gute 20 Minuten lang durchs Publikum und improvisiert dabei, indem er einzelne Leute persönlich ansingt; dann wiederum holt er sich die Besucher zum Abtanzen nach oben auf die Bühne; dann shoutet er auch schon mal einen ganzen Song OHNE Mikro, dann erzählt er laaaange Geschichten; dann läßt er seine Stimme ausgiebige Zwiegespräche mit seiner Gitarre führen und und und. Wie sagte einer, nachdem irgendwann alles vorüber war? "Ich gehe seit 20 Jahren zu Rockkonzerten, aber sowas ist mir noch nicht untergekommen."Stimmt. Schlicht un-glaub-lich.
HEF: Der letzte Song auf "Moonshine" heißt "Meet Me In My Hometown". Was würdest du als deine Heimatstadt ansehen?
LA: Meine Heimatstadt ist die Welt. Sieh mal, meine Vorfahren sind aus Afrika nach Amerika gekommen, im Moment lebe ich in Europa, bin aber sehr häufig in Amerika und Afrika. Hör dir meine Platten an, da findest du das alles wieder.
HEF: Geboren bist du in Arkansas.
LA: Wir lebten in einer kleinen Hütte in einem kleinen Dorf namens Whitmore. Dort habe ich mit Kochlöffeln und allem, was mir so in die Hände kam, gegen die Wellblechwände unserer Hütte getrommelt. Als wir dann nach Chicago gingen, kaufte ich mir mit dem bißchen Geld, das ich mir als Kind so nebenbei verdienen konnte, von einem Pfandleiher meine erste gebrauchte Akustikgitarre; ihr Preis war 20 Dollar. In den Sommermonaten habe ich selbstgemixte Limonade verkauft, für fünf Cent den Becher. Schließlich hatte ich genug für eine Elektrogitarre zusammen. Das war 1957. Mir war es wie eine Ewigkeit vorgekommen. Und dann fing ich an, auf ein Mikrophon zu sparen...
HEF: Warum die Elektrogitarre?
LA: Mann, wir waren nicht mehr in Arkansas, nicht mehr auf dem Land - Chicago, das war die Stadt! Man sah dort praktisch keine Akustikgitarre, verstehst du?
HEF: Die Stromgitarren waren also der "sound of the city".
LA: Genau - und dieser Sound klang gut, klang verdammt gut sogar! Und man hörte ihn überall. Also, ich wohnte bei MUDDY WATERS um die Ecke...
HEF: Ihr wart demnach so etwas wie Freunde?
LA: So etwas wie Freunde? Hey hey hey! Mann, unsere Familien waren befreundet, echt befreundet! Jeden Nachmittag war ich bei ihnen zu Hause. Und es gab auch noch andere. Da waren HOWLIN' WOLF, JIMMY REED, MAGIC SAM, BUDDY GUY. Alle unsere Familien waren irgendwo vom Land nach Chicago gekommen, sie kannten sich teilweise untereinander. Und das war unser Glück, denn so paßten die Eltern auf jedes der Kinder auf, damit wir bloß keinen Ärger kriegten in den Straßen der Großstadt. Und sowas gibt es heutzutage leider nicht mehr für die Kids. Man kennt sich nicht mehr, man hat keine gemeinsamen Wurzeln mehr, keine "family line". Damals wußte man noch, was es hieß, in den Maisplantagen zu arbeiten, den Sojaplantagen, den Baumwollplantagen. Da kam ich her - und die andern auch. Und dieses Bewußtsein, zu wissen, wo ich herkomme, das habe ich nie verloren.
HEF: Und das hilft dir auch noch heute...
LA: Exakt. Ich weiß, was ich meinem Publikum schuldig bin, nämlich Energie, Sich-Kümmern um die Leute und das alles. Und weil ich das weiß, mich danach richte, deshalb bin ich mittlerweile der Beste. Und irgendwann wird Luther Allison explodieren...
HEF: Wie lebt es sich denn mit solch einem Bewußtsein als Amerikaner in Paris? Ich denke mal, viele dort wissen gar nicht so richtig, was der Blues eigentlich ist?
LA: Ich würde im Gegenteil behaupten, daß von allen Europäern die Franzosen immer noch am besten verstehen, was es mit dem Blues auf sich hat. Sie sind ja auch absolute Jazz-Fanatiker. Spiel' dort den Blues, nimm' ein Saxophon in deine Band mit auf - und sie sind begeistert.
HEF: Wie bist du denn auf Paris gekommen?
LA: Ich war viele Jahre durch die USA getourt, mit wenig Erfolg. Ich hatte für viele andere die Türen aufgemacht, war aber selbst meist nie zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich sah eigentlich keine Chance mehr für mich, es in Amerika noch zu schaffen. Gleichzeitig wollte ich natürlich auch bei meiner Familie sein. Da erhielt einer meiner Söhne ein Stipendium für Paris, und damit war die Entscheidung klar: Damit die Familie zusammenbleiben konnte, gingen wir alle mit. Ich fand sehr schnell jemanden von einer Plattenfirma, der meinen Blues mochte, so konnte ich auch meine Musik weitermachen und von meiner Musik leben. Wenn ich jetzt in den Staaten bin, sagen mir alle, wie sehr sie mich vermisst haben und daß es niemanden sonst gibt, der eine solche Show draufhat. Aber was war denn, solange ich noch da war? Nein nein, ich bin glücklich, mir geht es im Moment besser als je zuvor, und ich lebe unheimlich gerne in Paris.
HEF: Kommen wir noch einmal auf "Moonshine" zurück - erzähle uns doch bitte etwas über diese Aufnahme!
LA: Einen Teil der Aufnahmen haben wir in meinem Wohnzimmer gemacht, mit einem kleinen DAT-Recorder. Draußen mähte einer den Rasen, die Tauben liefen über die Steinterrasse, und drinnen hatten wir zwei Mikrofone aufgestellt und ließen es locker angehen.
HEF: Wer war denn da so alles dabei?
LA: Mein Sohn BERNARD, der Bassist ZOX und der Gitarrist PATRICK VERBEKE. Weil mich dann doch die Außengeräusche störten, verzogen wir uns in den Keller eines Musikgeschäftes, da war es so eng, dass der dazugekommene Harmonikaspieler in der Ecke kauern musste. Der heißt übrigens THIERRY MENESCLOU, ist so um die 30 und macht selbst mir altem Hasen in puncto Blues noch allerhand vor. Patrick griff sich ab und zu die Zwölfsaitige, und ab ging die Post.
HEF: Und wie habt ihr in dem kleinen Keller diese Bassdrum untergebracht?
LA: Das ist keine Bassdrum, das sind meine Füße! Den Rest tat die Raumakustik dazu. Wir hatten einen Riesenspaß!
HEF: Jedenfalls kommt wirklich eine ganze Menge Lebensfreude rüber. Schon die Zeilen aus dem ersten Song "you make me feel so good, I know I'll have a good day" wirken wie ein Wegweiser...
LA: Das kommt auch daher, dass ich diese akustischen Blues-Sachen so sehr mag, die Songs von SONNY TERRY und BROWNIE McGHEE zum Beispiel; oder höre dir zu Weihnachten mal "Merry Christmas Baby" von LIGHTNING HOPKINS an. Toll!
HEF: Der Titelsong verlässt die typischen Blues-Schemata zugunsten einer sehr viel offeneren Struktur. Hat das einen bestimmten Grund?
LA: Also mit Saufen und dem berühmten schwarzgebrannten "Moonshine"-Whisky hat der Titel gar nichts zu tun. Es ist eine Hommage an den Himmel, wenn du so willst. Abends gucke ich mir unheimlich gerne den Mond an, egal ob Voll- oder Halb- oder Sichelmond. Und immer öfter geht das nicht mehr, da ist irgendwelcher Dreck in der Luft, und der Mondschein kommt nicht mehr so richtig durch. Ich nahm an einem solchen Abend meine Gitarre, guckte in den verhangenen Himmel und probierte ein Riff. Plötzlich fiel mir ein, was ich dem Mann im Mond mitzuteilen hatte, nämlich dass ich mir von niemandem sein Licht wegnehmen lassen werde. Ein selbst für einen Blues etwas sonderbarer Inhalt, und so ist die Musik dazu wohl auch etwas ungewöhnlich geraten...
HEF: Dann kam "Bad Love", und da ging es vor allem mal wieder um die Schlechtigkeit der Frauen, oder? (Seitenblick zu Rocky:) Hast du denn keine Probleme mit diesen Sachen?
RO: Doch, das stimmt. Da hatte er sich wieder ein paar ziemlich fiese Inhalte rausgepickt. Normalerweise gibt er mir ja seine Texte zum Überarbeiten, aber ausgerechnet an die wollte er mich nicht heranlassen. Noch dazu haben sein Rhythmusgitarrist und sogar der Produzent an den Titeln mitgeschrieben, und gegen alle drei hatte ich sowieso keine Chance...
LA: Die ganze Geschichte des Blues ist voll mit gemeinen Bemerkungen über Frauen, aber die müssen ja nicht alle wirklich böse gemeint sein. Und Frauen sind nun einmal sehr unterschiedlich. Denke mal an BIG MAMA THORNTON, was für eine starke Frau das war! Die Songs auf "Bad Love" handeln halt vom Leben, von dem, was man so ertragen muss. Und es könnte durchaus sein, dass die Frau in "Bad Love" eine ist, die nichts taugt...
RO: Der Mann in "Bad Love" beklagt ja, dass seine Frau nicht da ist, abends alleine weggeht und so weiter. Aber was wäre denn, wenn diese Frau nicht verschwindet, um sich zu amüsieren, sondern bei McDonalds arbeiten geht, um für die Familie etwas Geld zu verdienen? Kann doch sein, dass ihr Mann ihr das glatt verbieten würde, wenn er es herausbekäme, weil er eben ein alter Chauvi ist. Wenn du die Sache so herum siehst, geht es in dem Song eigentlich nicht um die schlechte Frau, sondern vielmehr um einen gleichgültigen, bornierten Mann, der gar nicht merkt, von was er da eigentlich redet...
LA: Ich schätze Rockys Meinung sehr, aber ich glaube, hier ist es so, dass die beiden einander nicht mehr vertrauen, und so etwas nenne ich "bad love"...
HEF: Auf dem Cover guckst du ja auch reichlich grimmig...
LA: Ja, das sieht leider so aus, weil das Foto etwas zu dunkel geraten ist. Eigentlich ist das Bild heller und freundlicher. Und ich bin wirklich einer, der fröhlich ist und die Dinge ändern will. Hätte ich sonst Songs geschrieben wie "Change Must Come", "Let's Try It Again" und "Freedom"? Nein, der Blues ist nicht traurig oder böse, sondern das Leben ist es!
HEF: Vielleicht ist das ja ein Grund für die derzeitige Renaissance des Blues...
LA: Es wird auch höchste Zeit. Mit ELVIS fing es ja an, eine ganze Menge Leute haben vom Blues profitiert, nennen sich jetzt "Rock-Stars" - nur die eigentlichen Blues-Musiker saßen weiter im Dreck. Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass die jetzt wieder entdeckt werden. Auch dass die Werbespots mehr und mehr Blues-Songs verwenden, stört mich überhaupt nicht, ich sehe das in erster Linie als Werbung für meine Musik, den Blues...
HEF: Na ja, aber wenn es denn in zu große Kommerzialisierung ausartet...
LA: Kommerz? Oh, Mann, ich kann das wirklich nicht mehr hören! BB KING sang "The Thrill Is Gone", und schon hieß es: Das ist ja kommerziell, das hat ja mit dem Blues gar nichts mehr zu tun!
HEF: Und das traf deiner Meinung nach nicht zu?
LA: Also, mein Freund, wenn der Thrill erst mal weg ist - wenn er wirklich weg ist, Mann, dann hast du den Blues!Credits: Interview: Meckey Ellenbruch (with a very special thank you!), AJ
Kontakt: Ruf Records, Kirchstr. 24, 37318 LindewerraAJ